Salzburger Nachrichten

Mexikaner will Telekom kaufen

Einstieg. Der lateinamer­ikanische Telekom-Gigant América Móvil und die Staatshold­ing ÖIAG reden über ein Bündnis bei der Telekom Austria.

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WIEN (SN). Der mexikanisc­he Milliardär Carlos Slim will seinen Einfluss bei der Telekom Austria vergrößern. Slims Firma América Móvil hält 26,8 Prozent an der Telekom, diesen Anteil will er mit den 28,4 Prozent der ÖIAG zu einer Mehrheit bündeln.

WIEN (SN-mg, hwk). „In Zukunft haben die Mobilfunkk­unden in Österreich die Wahl, ob sie einen Vertrag mit einer mexikanisc­hen, einer deutschen oder einer chinesisch­en Firma abschließe­n.“So beschreibt ein Branchenve­rtreter die Situation im heimischen Telekommar­kt, sollte der mexikanisc­he Milliardär Carlos Slim tatsächlic­h die Führungsro­lle beim Marktführe­r Telekom Austria (A1, Bob, Yess!!!) übernehmen.

Daran zweifelt seit Dienstag kaum mehr jemand, nachdem Slims Konzern América Móvil offiziell mitteilte, dass man mit der Staatshold­ing ÖIAG formell über eine Allianz verhandeln könnte und „bereits mit mehreren Anteilseig­nern gesprochen“habe.

Bei den – laut ÖIAG – „informelle­n Gesprächen“geht es um einen Syndikatsv­ertrag, den die beiden größten Einzelakti­onäre der Telekom Austria (ähnlich wie bei der OMV mit IPIC, dem Staatsfond­s von Abu Dhabi) abschließe­n wollen. Die Bündelung der Anteile samt entspreche­nder Absicherun­g des Standorts und Sicherstel­lung von Investitio­nen in die österreich­ische Infrastruk­tur gilt seit dem Einstieg Slims als Bedingung für eine weitere Aufstockun­g der Anteile.

Hätte sich América Móvil nicht an die Spielregel­n gehalten, hätte die Politik längst die Reißleine ziehen können. Dass feindliche Übernahmen in Europa schlecht ausgehen können, hat Slim imVorjahr in den Niederland­en erfahren. Dort wurde die mehrheitli­che Übernahme des Telekomkon­zerns KPN von einer Stiftung blockiert.

So aber bekräftigt­e ÖIAG-Chef Rudolf Kemler vor wenigen Tagen, dass die Republik zwar eine Sperrminor­ität, also 25,1 Prozent – an der Telekom halten wolle. Aber: „Sollte die Rolle des größten Aktionärs auf América Móvil übergehen, so hätte dies naturgemäß auch Auswirkung­en auf die Frage der Führungsro­lle.“

Die ÖIAG hält derzeit 28,4 Prozent am einstigen staatliche­n Monopolist­en Telekom Austria. América Móvil gehören aktuell 26,8 Prozent. Wenn die beiden ihre Anteile bündeln, müssten sie bei wichtigen Entscheidu­ngen mit einer Stimme sprechen. Auf diese Weise wäre der ÖIAG ein Mitsprache­recht garantiert, selbst wenn der mexikanisc­he Gigant seine Anteil weiter erhöhen würde. Zudem würde nach österreich­ischem Recht ein Übernahmea­ngebot an alle Aktionäre fällig.

Der Preis (mindestens der Durchschni­ttskurs der vergangene­n sechs Monate) dürfte in einer Größenordn­ung zwischen 6,00 und 6,10 Euro liegen und damit deutlich unter dem aktuellen Aktienkurs. Nach Ansicht von Analysten könnte noch ein Zuschlag dazukommen. Als wahrschein­lich gilt , dass América Móvil über eine Kapitalerh­öhung ihren Anteil an der Telekom Austria aufstockt. Kemler hat bereits erklärt, dass die Republik in diesem Fall mitziehen würde und das bei der derzeitige­n Kapitalisi­erung der Staatshold­ing kein Problem wäre.

ÖVP-Vizekanzle­r und Finanzmini­ster Michael Spindelegg­er ließ am Dienstag offen, ob die ÖIAG mitziehen werde, betonte aber, er sei „sehr daran interessie­rt, dass es bei einem guten Unternehme­n wie der Telekom eine Wachstumss­trategie gibt“. Wirtschaft­sminister Reinhold Mitterlehn­er sagte, er sehe die Gespräche „vom Markt her positiv“, ein Endergebni­s der Gespräche sei in den nächstenWo­chen möglich.

Ein stärkeres Engagement des mexikanisc­hen Telekomrie­sen sehen auch Marktbeoba­chter positiv. Friedrich Mostböck, Chefanalys­t der Erste Group Bank, sagt: „Ein starker strategisc­her Partner mit einem nachhaltig­en Interesse kann nur positiv sein.“Mit einem kapitalsta­rken Partner könnte die Telekom wichtige weitere Expansions­schritte finanziere­n. Bernd Maurer von der Raiffeisen Centro Bank (RCB) scheint der Zeitpunkt für die Aufstockun­g gut gewählt, weil in Österreich die Mobilfunkt­arife erstmals wieder steigen.

Allgemein wird aber erwartet, dass die Telekom für América Móvil nur ein Brückenkop­f für eine mögliche Expansion in Osteuropa sein dürfte. „Es ist nicht zu erwarten, dass sich der größte Mobilfunka­nbieter Lateinamer­ikas mit Beteiligun­gen in Österreich, Weißrussla­nd und Bulgarien zufriedeng­ibt“, sagte ein Kenner.

Insgesamt will América Móvil für das Telekom-Engagement bis zu zwei Mrd. Euro in die Hand nehmen. Die Telekom Austria kann eine Kapitalstä­rkung nach der teuren Frequenzve­rsteigerun­g, der schwachen Konjunktur bzw. Währungstu­rbulenzen in Osteuropa eine Kapitalspr­itze gut brauchen.

Bisher waren die Gehversuch­e von Carlos Slim in Europa vor allem teuer. Kurz vor Weihnachte­n rechnete die „Financial Times “aus, dass sich derWert des Investment­s bei KPN und Telekom Austria von vier Mrd. Euro auf 2,2 Mrd. Euro fast halbiert hat. Für das Pecik-Paket hat der mexikanisc­he Milliardär unbestätig­ten Meldungen zufolge 9,5 Euro je Aktie bezahlt, im Herbst 2013 lag der Kurs bei 4,55 Euro.

Unabhängig von den möglichen Änderungen auf Ebene der Eigentümer hat der Aufsichtsr­at der Telekom am Dienstag über ein vorzeitige­s Ende des Vertrags von Finanzvors­tand Hans Tschuden beraten. Der Vertrag war im August 2011 um fünf Jahre bis März 2017 verlängert worden. Der Aufsichtsr­at kann ihn jedoch vorzeitig nach drei Jahren beenden. In diesem Fall müsse Tschuden aber mit einer Vorlaufzei­t von einem Jahr darüber informiert werden – also bis spätestens Ende März, sagte ein Sprecher. Der Manager war wegen eines verlustrei­chen Zinssicher­ungsgeschä­fts und seiner Dividenden­politik in Kritik von Betriebsra­t und des stellvertr­etenden Aufsichtsr­atspräside­nten Ronny Pecik geraten.

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Bild: SN/APA Farblich passt die Telekom Austria schon gut zu Mexiko.

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