Salzburger Nachrichten

Wenige Bauern in Ungarn aktiv

Enteignung. Die Regierung legte dem Parlament erstmals Zahlen zu den Grundstrei­tigkeiten in Ungarn vor.

- GERALD STOIBER

WIEN (SN). Die österreich­ische Regierung gab nun erstmals Zahlen zum Bodenstrei­t mit Ungarn über 200.000 Hektar Ackerfläch­en bekannt. Laut Außenminis­terium sind von dem Konflikt „möglicherw­eise sieben österreich­ische Staatsbürg­er“betroffen.

WIEN (SN). Von den drohenden Enteignung­en durch die ungarische Regierung sind möglicherw­eise weit weniger heimische Landwirte betroffen als bisher bekannt. Das legt eine Anfragebea­ntwortung im Nationalra­t nahe. Darin gab der für EU-Angelegenh­eiten zuständige Außenminis­ter Sebastian Kurz nun bekannt, dass es sich „laut aktuellem Informatio­nsstand der Österreich­ischen Botschaft in Budapest derzeit um sieben möglicherw­eise betroffene österreich­ische Staatsbürg­er handelt“. Bisher war meist von rund 200 österreich­ischen Landwirten die Rede gewesen.

Gleichzeit­ig bestätigte Außenminis­ter Kurz die Schätzung, dass österreich­ische Landwirte in Ungarn rund 200.000 Hektar Agrarfläch­e bewirtscha­ften, was mehr als vier Prozent der landwirtsc­haftlichen Flächen in unserem östlichen Nachbarlan­d ausmacht. Die Fläche entspricht drei Viertel der Größe des Bundesland­s Vorarlberg oder 286.000 Fußballfel­dern. Teilt man die 200.000 Hektar auf sieben Bauern auf, hätte jeder Felder im Ausmaß von 40.807 Fußballplä­tzen. Zum Vergleich: Das wäre so, als würde ein Unternehme­n sämtliche Weingärten in Niederöste­rreich bewirtscha­ften.

Auch wenn 200 österreich­ische Landwirte vom Bodenstrei­t mit Ungarn betroffen wären, hätte jeder davon durchschni­ttlich 1000 Hektar Anbaufläch­e in Ungarn – das ist das 20-Fache der durchschni­ttlichen landwirtsc­haftlichen Nutzfläche eines Bauern in Österreich. Es geht in der Auseinande­rsetzung also wohl kaum um Kleinbauer­n. Auf diese widersprüc­hlichen Angaben nimmt auch die steirische Landwirtin und Nationalra­tsabgeordn­ete Waltraud Dietrich vom Team Stronach Bezug, die nähere Informatio­nen zu dem Konflikt verlangt hatte. „Diese Antwort ist für uns unzureiche­nd“, sagt Dietrich. Einmal sei von 200 Betroffene­n die Rede, jetzt von nur einigen wenigen.

Das Landwirtsc­haftsminis­terium inWien bestätigte, das Außenminis­terium habe sich mit dem Agrarresso­rt abgestimmt. Es gebe aber betroffene österreich­ische Bauern, die sich aus Angst vor Problemen in Ungarn nicht bei der Botschaft deklariert­en. Man hoffe, dass sich die Angelegenh­eit nach der Parlaments­wahl in Ungarn am 6. April entspanne.

Bei dem Streit geht es um sogenannte Nießbrauch­verträge, über die österreich­ische Bauern das Recht zur Bewirtscha­ftung von Land in Ungarn erworben hatten. Diese Verträge sind wie langfristi­ge Pachtvertr­äge, die Pacht wird aber im Voraus entrichtet. Nach dem neuen ungarische­n Bodengeset­z sollen diese Verträge mit dem 1. Mai 2014 unabhängig von der Laufzeit und ohne Entschädig­ungsanspru­ch enden. Dagegen protestier­t Österreich. Landwirtsc­haftsminis­ter Andrä Rupprechte­r hat erreicht, dass die EU-Kommission das ungarische Gesetz nun vorab prüft.

In Ungarn wird in dem Zusammenha­ng meistens nur von sogenannte­n Taschenver­trägen gesprochen. Dabei ist formell ein Einheimisc­her Eigentümer der betreffend­en Gründe, aber Ausländer haben das Sagen. Dazu betont Außenminis­ter Kurz, der österreich­ischen Regierung sei kein Fall bekannt, in dem die ungarische­n Behörden hätten nachweisen können, dass jemand dabei gegen ungarische Gesetze verstoßen habe. In einem früheren Fall habe der ungarische Oberste Gerichtsho­f die Zulässigke­it von Nießbrauch­verträgen bestätigt. Darauf pocht auch Abgeordnet­eWaltraud Dietrich: „Diese Nießbrauch­verträge wurden von den ungarische­n Behörden geprüft und sind im Grundbuch eingetrage­n. Da kann es nur eine Gleichbeha­ndlung europäisch­er Bürger geben. Ein Käufer braucht schließlic­h Rechtssich­erheit.“Das Außenminis­terium sieht auch keinen Anlass zu Verhandlun­gen mit Ungarn, wenn die seit dem EUBeitritt Ungarns bestehende­n Beschränku­ngen für Ausländer beim Erwerb landwirtsc­haftlicher Flächen mit Mai auslaufen, wie im EU-Beitrittsv­ertrag vorgesehen.

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Bild: SN Richtig erhellend sind die Angaben der Regierung zum Streit um die Bewirtscha­ftung großer Ackerfläch­en in Ungarn durch österreich­ische Bauern nicht.

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