Der Experte wechselt die Seiten
Budgetlücke. Zum ungünstigsten Zeitpunkt kommt Finanzminister Spindelegger sein Budgetspezialist abhanden. Die SN fragten diesen nach den Ursachen.
WIEN (SN). Gerhard Steger, schwergewichtiger Budget-Sektionschef im Finanzministerium, kennt man in vielen Rollen: Als Mitglied der SPÖ und einstigen Vorsitzenden der „Arbeitsgemeinschaft Christentum und Sozialismus“. Als Gitarristen beim katholisch-jüdisch-evangelischen Freundschaftstreffen „Shalom – Music Between Friends“. Und natürlich als mächtigen Einflüsterer und versierten Experten, wenn der jeweilige Finanzminister einen öffentlichen Auftritt hat.
Diese Rolle wird Steger in Zukunft nicht mehr ausüben. Am Dienstag wurde bekannt, dass der 56-jährige Budgetfachmann das Finanzministerium verlässt und in den Rechnungshof wechselt. Dort wird er ebenfalls Sektionschef und für die Kontrolle des Staatshaushalts zuständig sein. Was bedeutet, dass er seinem heutigen Chef auf die Finger schauen wird.
Der Abschied Gerhard Stegers kommt für das Finanzministerium zur ungünstigsten Zeit. Seit der damalige rote Minister Rudolf Edlinger 1997 seinen Parteifreund zum Sektionschef machte, hatte sich dieser zum wohl besten Budgetkenner im Ressort entwickelt. Auch die ÖVP-Finanzminister von Grasser bis Spindelegger dachten nicht im Geringsten daran, auf das Fachwissen des loyalen roten Spitzenbeamten zu verzichten. Jetzt geht er von selbst und hinterlässt einen neuen Finanzminister und zwei neue Staatssekretäre, die – zusammengezählt – derzeit auf rund sechs Monate Budgeterfahrung kommen. Recht wenig im Vergleich zu den 28 Jahren, die Gerhard Steger im Finanzministerium diente. Die Budgets 2014 und 2015 müssen ohne seine Hilfe erstellt werden, Michael Spindelegger muss seine Budgetrede am 29. April ohne die beruhigende Präsenz Stegers auf der Beamtenbank im Nationalratssaal halten. Im SN-Gespräch dementierte der Sektionschef ent- schieden, dass er wegen eines Zerwürfnisses mit Spindelegger dessen Haus verlasse.
Vor allem in ÖVP-Wirtschaftskreisen war zuletzt der Vorwurf erhoben worden, Spindelegger sei beim Schnüren des jüngsten Steuerpakets von seinen Spitzenbeamten nicht gut beraten worden. Vor dem Jahreswechsel hatte die Diskussion über ein angebliches 40Milliarden-Budgetloch für Spannungen zwischen der Politik und der Beamtenschaft gesorgt. Steger weist all das zurück: Er habe ausgezeichnet mit dem neuen Minis- ter und dessen Team kooperiert, die Chemie habe gestimmt. Aber: „Ich habe 15 Jahre am Projekt eines neuen Haushaltsrechts mit mehrjähriger Finanzplanung gearbeitet. Das Ding ist jetzt auf Schiene und funktioniert. Daher ist es für mich Zeit, etwas Neues anzufangen.“
Spindelegger selbst würdigte den scheidenden Sektionschef als „über alle Parteigrenzen hinweg anerkannten Experten“und ernannte dessen Stellvertreter zum neuen interimistischen Leiter der Budgetsektion.