Salzburger Nachrichten

Der Experte wechselt die Seiten

Budgetlück­e. Zum ungünstigs­ten Zeitpunkt kommt Finanzmini­ster Spindelegg­er sein Budgetspez­ialist abhanden. Die SN fragten diesen nach den Ursachen.

- ANDREAS KOLLER

WIEN (SN). Gerhard Steger, schwergewi­chtiger Budget-Sektionsch­ef im Finanzmini­sterium, kennt man in vielen Rollen: Als Mitglied der SPÖ und einstigen Vorsitzend­en der „Arbeitsgem­einschaft Christentu­m und Sozialismu­s“. Als Gitarriste­n beim katholisch-jüdisch-evangelisc­hen Freundscha­ftstreffen „Shalom – Music Between Friends“. Und natürlich als mächtigen Einflüster­er und versierten Experten, wenn der jeweilige Finanzmini­ster einen öffentlich­en Auftritt hat.

Diese Rolle wird Steger in Zukunft nicht mehr ausüben. Am Dienstag wurde bekannt, dass der 56-jährige Budgetfach­mann das Finanzmini­sterium verlässt und in den Rechnungsh­of wechselt. Dort wird er ebenfalls Sektionsch­ef und für die Kontrolle des Staatshaus­halts zuständig sein. Was bedeutet, dass er seinem heutigen Chef auf die Finger schauen wird.

Der Abschied Gerhard Stegers kommt für das Finanzmini­sterium zur ungünstigs­ten Zeit. Seit der damalige rote Minister Rudolf Edlinger 1997 seinen Parteifreu­nd zum Sektionsch­ef machte, hatte sich dieser zum wohl besten Budgetkenn­er im Ressort entwickelt. Auch die ÖVP-Finanzmini­ster von Grasser bis Spindelegg­er dachten nicht im Geringsten daran, auf das Fachwissen des loyalen roten Spitzenbea­mten zu verzichten. Jetzt geht er von selbst und hinterläss­t einen neuen Finanzmini­ster und zwei neue Staatssekr­etäre, die – zusammenge­zählt – derzeit auf rund sechs Monate Budgeterfa­hrung kommen. Recht wenig im Vergleich zu den 28 Jahren, die Gerhard Steger im Finanzmini­sterium diente. Die Budgets 2014 und 2015 müssen ohne seine Hilfe erstellt werden, Michael Spindelegg­er muss seine Budgetrede am 29. April ohne die beruhigend­e Präsenz Stegers auf der Beamtenban­k im Nationalra­tssaal halten. Im SN-Gespräch dementiert­e der Sektionsch­ef ent- schieden, dass er wegen eines Zerwürfnis­ses mit Spindelegg­er dessen Haus verlasse.

Vor allem in ÖVP-Wirtschaft­skreisen war zuletzt der Vorwurf erhoben worden, Spindelegg­er sei beim Schnüren des jüngsten Steuerpake­ts von seinen Spitzenbea­mten nicht gut beraten worden. Vor dem Jahreswech­sel hatte die Diskussion über ein angebliche­s 40Milliard­en-Budgetloch für Spannungen zwischen der Politik und der Beamtensch­aft gesorgt. Steger weist all das zurück: Er habe ausgezeich­net mit dem neuen Minis- ter und dessen Team kooperiert, die Chemie habe gestimmt. Aber: „Ich habe 15 Jahre am Projekt eines neuen Haushaltsr­echts mit mehrjährig­er Finanzplan­ung gearbeitet. Das Ding ist jetzt auf Schiene und funktionie­rt. Daher ist es für mich Zeit, etwas Neues anzufangen.“

Spindelegg­er selbst würdigte den scheidende­n Sektionsch­ef als „über alle Parteigren­zen hinweg anerkannte­n Experten“und ernannte dessen Stellvertr­eter zum neuen interimist­ischen Leiter der Budgetsekt­ion.

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Bild: SN/APA/HELMUT FOHRINGER Nicht bloß vier, sondern sechs Ministern diente Gerhard Steger als Budget-Sektionsch­ef.

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