Putin folgt den Spielregeln des Kalten Kriegs
Moskau traut den neuen Mächtigen in der Ukraine nicht. Deshalb sucht es offensichtlich nach einem neuen politischen Alliierten im Nachbarland.
Er hat zwei Mal versagt. Viktor Janukowitsch hätte ja schon seinerzeit während der „orangen Revolution“2004 nachMoskaus Vorstellungen die Führung in der Ukraine übernehmen sollen. Damals gelang ihm das nicht – erst später, als sich die „orangen Revolutionäre“gründlich zerstritten hatten, schaffte er den Sprung ins Präsidentenamt.
Die jetzige Situation in der Ukraine erinnert denn auch stark an das Jahr 2004 – das Jahr der ersten Niederlage Janukowitschs. Wladimir Putin war wütend und setzte wirtschaftlichen Druck gegen die „Orangenen“ein. Genutzt hat das aber wohl weniger als die Enttäuschung derMenschen über den Streit zwischen den Anführern des Protests und die Tatsache, dass von den vielen Versprechen tief greifender Re- formen kaum etwas in Angriff genommen wurde. Frustriert darüber, dass ihr Kampf so wenig tatsächliche Ergebnisse brachte, wandten sich viele neuerlich Janukowitsch zu und ermöglichten ihm so denWahlsieg. Und Russland zeigte sich großzügig.
Als Janukowitsch 2013 allzu offensichtlich und heftig mit der EU zu flirten begann, versprachMoskau mehr als großzügige Finanzhilfe – und Janukowitsch ließ das Kokettieren mit Brüssel sein. Er versuchte den daraufhin neuerlich beginnenden Protest niederzuschlagen – im Unterschied zu 2004 jetzt mit offener brutaler Gewalt. Vermutlich dazu aufgefordert vonMoskau. Genützt hat das nichts, aberMoskau lässt sich seinen Mann nicht so ohneWeiteres wegputschen – und droht jetzt mit massiven Wirtschaftssanktionen, die die ohnehin marode Ukraine endgültig in den Ruin treiben könnten. Was nicht im Interesse Russlands wäre – aberMoskau braucht etwas Zeit, um einen neuen Verbündeten in der Ukraine zu finden und gegen die auch heute wieder sehr heterogenen und wohl bald auch zerstrittenen „Revolutionäre europäischer Ausrichtung“aufzubauen.
Und da man mit Janukowitsch einen hatte, den man nach Belieben manipulieren konnte, scheint die russische Führung derMeinung zu sein, dass sie dessen Feinde nicht sogleich und ganz ohne Gegenwehr akzeptieren sollte. Man droht also mit einer Anhebung des Gaspreises und hat die noch vor wenigenWochen Janukowitsch versprochene Finanzhilfe eingefroren.
Die Neuen in Kiew sollen spüren, was es heißt, die Beziehungen zu Russland auf die Probe zu stellen, indem manMoskaus Mann in Kiew so einfach davonjagt. Dass an Janukowitschs Händen Blut klebt, spielt da keine Rolle – entscheidend sind die Spielregeln, nach denen Wladimir Putin spielt. Die Spielregeln des Kalten Kriegs, wonach die Nachbarn Russlands sich nicht einfach ausMoskaus Einflusssphäre verabschieden können. Eines muss inzwischen aller Welt klar sein: OhneMoskau wird es mehr als schwierig sein, eine vernünftige, stabile Lösung für den Problemfall Ukraine zu finden.