Bürger rebellieren gegen eine schlechte Regierung
In Venezuela weiten sich die Proteste von Unzufriedenen zu einem Aufstand aus, aber Staatspräsident Maduro will hart bleiben
CARACAS (SN). Nicolás Maduro ist noch kein Jahr als Venezuelas Präsident im Amt. Aber in der kurzen Zeit seit dem Tod seines Vorgängers Hugo Chávez am 5. März 2013 hat sich die Lage in dem südamerikanischen Land dramatisch verschärft. Seit bald zweiWochen protestieren in ganz Venezuela Studenten und Unzufriedene gegen die Regierung und die katastrophale Versorgungs- und Sicherheitslage. Es gibt bei diesen Protesten schon Tote und Verletzte.
Was als lokaler Protest einiger Studenten im Bundesstaat Táchira, fernab der Hauptstadt Caracas, begann, hat sich zu einer landesweiten Protestwelle ausgeweitet. Die Demonstranten erhalten jeden Tag mehr Zulauf – und mittlerweile geht es nicht mehr nur gegen einzelne Missstände. Inzwischen geht es gegen Präsident Maduro und seine Regierung.
Was der tief gespaltenen Opposition an den Wahlurnen bisher nicht gelang, soll nun die Straße richten: die linksnationalistische Regierung von der Macht verdrängen. Der ehemalige Busfahrer Maduro war derWunschnachfolger des verstorbenen Präsiden- ten Hugo Chávez. Gewählt wurde er von den Venezolanern im April 2013 aber nur mit knapper Mehrheit. AnschließendeWahlbetrugsVorwürfe des unterlegenen Oppositionskandidaten Henrique Capriles verpufften. Der gemäßigte und auf Kompromiss gepolte Ca- priles wurde daraufhin von seinen Mitstreitern faktisch entmachtet.
Leopoldo López ist der neue Kopf der Protestbewegung. Und er setzt ausschließlich auf Konfrontation. Maduro führe das ÖlLand in den Ruin und müsse deshalb gestürzt werden, so die einfache Logik des Koordinators der Oppositionspartei Voluntad Popular („Volkswille“). Diese Strategie erinnert sehr an den kurzfristigen Putsch gegen Chávez 2002. Aber auf López’ Logik springen Hunderttausende Venezolaner nur allzu gern an, die Inflation, Kriminalität und leere Supermärkte schon lang nerven.
Die Proteste gegen die Regierung kennen mittlerweile keine Pause und keine Nachtruhe mehr. Maduro und sein Kabinett geben sich jedoch ebenfalls kompromisslos, schicken die Nationalgarde auf die Straße und sprechen von einem „faschistischen“Umsturzversuch, unterstützt von den USA. Der Präsident droht allen Opposi- tionellen, sie wie López ins Gefängnis zu bringen. Dass die Unzufriedenheit auch an Maduros dramatisch dilettantischen Management liegt, daran verschwendet er keinen Gedanken.
Seit Monaten steuert Venezuela immer tiefer in die Krise: Die Inflationsrate stieg 2013 auf 56 Prozent. Gleichzeitig gibt es massive Versorgungsengpässe in dem Land, das 70 Prozent seiner Nahrungsmittel importieren muss. Artikel des alltäglichen Lebens wie Milch, Toilettenpapier oder auch Mehl für das Nationalgericht Arepa sind knapp oder schlicht nicht zu haben. Der staatlich festgesetzte Dollarkurs und der Schwarzmarkt entwickeln sich immer weiter auseinander und machen das Leben teuer. Statt Reformen anzustreben, versucht der Präsident vor allem, seine Macht zu festigen. Im November ließ er sich Sondervollmachten vom Parlament genehmigen, mit denen er ein Jahr lang per Dekret regieren kann.