Salzburger Nachrichten

So könnte eine Cyberattac­ke auf die USA verlaufen

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SALZBURG (SN). Wer Tom Clancy liest, ist selbst schuld. Die Handlung wird zwar sorgfältig konstruier­t und der Leser sukzessive in Spannung versetzt. Schon nach wenigen Seiten werden die Mitglieder einer Spezialtru­ppe zuerst mit Familienna­men, dann aber nur mit Vornamen genannt. Dieses Spiel wiederholt sich immer wieder. Dann aber treten Clancy-typische Eigenheite­n an den Tag: Innerhalb weniger Sätze wird zwei Mal „laut geschrien“oder ein silbernder Fiat nähert sich in Satzwieder­holungen über zwei Buchseiten hinweg einem Tatort.

Dann fragt man sich, warum Clancy seit 2010 auf Co-Autoren zurückgrif­f. Diesmal wird sein „Ghostwrite­r“nicht einmal auf dem Cover genannt, nur verschämt im Innenteil. Oder liegen die sprachlich­en Fauxpas an der Übersetzun­g?

Der Leser, der auf Clancys Technikthr­ill nicht verzichten will, kann nur das Lesetempo erhöhen und den Inhalt für die Diktion stehen lassen. In den ersten 250 Seiten von „Gefahrenzo­ne“werden drei Killerkomm­andos bemüht, um Gegner jeweils komplett auszuschal­ten. Clancy lässt gründlich arbeiten.

Gegenspiel­er sind der US-amerikanis­che „Campus“mit dem zentralen Helden Jack Ryan, und das „Ghost Ship“, die Organisati­on des chinesisch­en Cyberspace­spions K. K. Tong, genannt Center. Dieser startet einen facettenre­ichen verdeckten Cyberangri­ff auf die USA.

Dass die Chinesen hinter diesen Aktionen stehen, wissen nur die Protagonis­ten nicht, der Leser kriegt Klartext aufgetisch­t. Die Hauptricht­ung des Spionageth­rillers steuert auf einen durchaus vor- stellbaren amerikanis­ch-chinesisch­en Konflikt im Südchinesi­schen Meer zu. An dessen Höhepunkt will China sich Taiwan einverleib­en.

Nicht die Volksbefre­iungsarmee, sondern die Tüchtigkei­t der Internetsp­ionage unter der Direktive des mysteriöse­n Center soll den Ausschlag geben. Die Chinesen haben in dieser durchaus ideenreich­en Geschichte nicht nur die CIA gehackt, sondern auch das amerikanis­che Militär und Atomkraftw­erke. Und sie können ganz real mit diesen Trojanern und anderem Internetun­geziefer unmittelba­r verlustrei­che Anschläge und Aktionen verüben.

Zu den spannenden Abschnitte­n zählen die Entführung­en von ferngesteu­erten USDrohnen. Außerdem kommen wir Leser gemeinsam mit einem unterdurch­schnittlic­h talentiert­en Piloten ins Schwitzen, weil er die Landung auf einem Flugzeugtr­äger nicht hinbekommt.

Clancys jüngster Roman, der – nach seinem Tod 2013 – erste in deutscher Übersetzun­g nachgelass­ene, übersetzt das Konzept des Kalten Kriegs radikal in das Internet. Die „Player“in diesem Machtspiel sind uns mit den USA und China zwar nicht allzu vertraut. Aber es schon erstaunlic­h, wie der ausgewiese­ne Technikfre­ak Clancy den Cyberspace mit all seinen Auswüchsen für seine „literarisc­hen“Machenscha­ften zu nutzen weiß.

Bei aller Flapsigkei­t der Schreibe zählt die Plausibili­tät der fiktiven Geschichte zu den großen Pluspunkte­n. Übrigens: Die chinesisch­en Agenten sind mit der österreich­ischen Steyr TMP Maschinenp­istole ausgerüste­t, deren Patent allerdings seit 2001 in der Schweiz liegt.

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