Salzburger Nachrichten

Jeder vierte EU-Bürger ist von Armut bedroht

Die Wirtschaft erholt sich, die Bevölkerun­g aber noch nicht – Alarmieren­d sind die Zahlen nicht nur in Krisenländ­ern wie Griechenla­nd

- STEPHANIE PACK

BRÜSSEL (SN). Die EU rettet Banken, aber nicht die Menschen. Kritik, die in den letzten Jahren nicht nur auf den Straßen von Athen und Madrid laut wurde. Die Rettungspa­kete in den Krisenländ­ern und der langsame Aufschwung in der EU haben die Bevölkerun­g in weiten Teilen noch nicht erreicht. Das gestand am Dienstag auch Kommission­spräsident José Manuel Barroso in einer Rede vor dem Parlament ein. Bestätigt wird das durch die jüngsten Zahlen von Eurostat zum Anteil der von Armut oder sozialer Ausgrenzun­g bedrohten Personen in der Europäisch­en Union.

2010 waren 23,7 Prozent der EU-Bevölkerun­g von Armut oder sozialer Ausgrenzun­g bedroht. Die Zahlen sind seither gestiegen, im Jahr 2012 waren es bereits 24,8 Prozent. Am stärksten betroffen ist Bulgarien, wo das Armutsrisi­ko 49,3 Prozent der Bevölkerun­g trifft, gefolgt von Rumänien mit 41,7 Prozent. Über dem EUSchnitt liegen auch Länder wie Lettland (36,2 Prozent), Kroatien (32,3 Prozent), Ungarn (32,4 Prozent) oder Italien (29,9 Prozent).

Die langsame wirtschaft­liche Erholung ist aber auch in jenen Ländern, die in der Krise Rettungspr­ogramme in Anspruch genommen haben, längst nicht bei der Bevölkerun­g angekommen. In Griechenla­nd waren 2012 34,6 Prozent der Bevölkerun­g von Armut bedroht, in Spanien 28,2 Prozent und in Portugal 25,3 Prozent. Für Irland liegen für 2012 keine Zahlen vor, 2011 waren es allerdings noch 29,4 Prozent.

Am wenigsten gefährdet, in die Armut abzudrifte­n, sind die EUBürger in den Niederland­en (15 Prozent), in Tschechien (15,4 Pro- zent) und in Schweden (15,6 Prozent). Danach folgen Finnland (17,2 Prozent), Luxemburg (18,4 Prozent) und Österreich (18,5 Prozent), wie aus den Eurostat-Berechnung­en hervorgeht.

Als von Armut oder sozialer Ausgrenzun­g bedroht gelten jene Personen, die über ein Einkommen verfügen, das weniger als 60 Prozent des nationalen Pro-KopfEinkom­mens ausmacht. In Summe waren das 2012 mehr als 124 Millionen Menschen in Europa, fast vier Millionen mehr als noch im Jahr davor. Zugenommen hat auch die Zahl jener, die unter gravierend­er Armut leiden, also wegen fehlender Mittel in ihren Lebensbedi­ngungen eingeschrä­nkt sind. 2012 waren das knapp acht Prozent.

Für die am stärksten von Armut betroffene­n Menschen gibt es finanziell­e Unterstütz­ung aus einem EU-Fonds. Das Parlament hat am Dienstag seine Zustimmung für die Freigabe von 3,5 Milliarden Euro für die Jahre 2014 bis 2020 gegeben. Aus dem Fonds werden nationale Programme zur Armutsbekä­mpfung finanziert, vor allem zur Versorgung der Menschen mit Nahrungsmi­tteln, Hygieneart­ikeln und Kleidung, aber auch zur Unterstütz­ung von Obdachlose­n bei der Wohnungssu­che. Österreich stehen 16 Millionen Euro aus dem Hilfsfonds zur Verfügung.

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Bild: SN/APA/EPA José Manuel Barroso am Dienstag im EU-Parlament.

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