Jeder vierte EU-Bürger ist von Armut bedroht
Die Wirtschaft erholt sich, die Bevölkerung aber noch nicht – Alarmierend sind die Zahlen nicht nur in Krisenländern wie Griechenland
BRÜSSEL (SN). Die EU rettet Banken, aber nicht die Menschen. Kritik, die in den letzten Jahren nicht nur auf den Straßen von Athen und Madrid laut wurde. Die Rettungspakete in den Krisenländern und der langsame Aufschwung in der EU haben die Bevölkerung in weiten Teilen noch nicht erreicht. Das gestand am Dienstag auch Kommissionspräsident José Manuel Barroso in einer Rede vor dem Parlament ein. Bestätigt wird das durch die jüngsten Zahlen von Eurostat zum Anteil der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Personen in der Europäischen Union.
2010 waren 23,7 Prozent der EU-Bevölkerung von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Die Zahlen sind seither gestiegen, im Jahr 2012 waren es bereits 24,8 Prozent. Am stärksten betroffen ist Bulgarien, wo das Armutsrisiko 49,3 Prozent der Bevölkerung trifft, gefolgt von Rumänien mit 41,7 Prozent. Über dem EUSchnitt liegen auch Länder wie Lettland (36,2 Prozent), Kroatien (32,3 Prozent), Ungarn (32,4 Prozent) oder Italien (29,9 Prozent).
Die langsame wirtschaftliche Erholung ist aber auch in jenen Ländern, die in der Krise Rettungsprogramme in Anspruch genommen haben, längst nicht bei der Bevölkerung angekommen. In Griechenland waren 2012 34,6 Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht, in Spanien 28,2 Prozent und in Portugal 25,3 Prozent. Für Irland liegen für 2012 keine Zahlen vor, 2011 waren es allerdings noch 29,4 Prozent.
Am wenigsten gefährdet, in die Armut abzudriften, sind die EUBürger in den Niederlanden (15 Prozent), in Tschechien (15,4 Pro- zent) und in Schweden (15,6 Prozent). Danach folgen Finnland (17,2 Prozent), Luxemburg (18,4 Prozent) und Österreich (18,5 Prozent), wie aus den Eurostat-Berechnungen hervorgeht.
Als von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht gelten jene Personen, die über ein Einkommen verfügen, das weniger als 60 Prozent des nationalen Pro-KopfEinkommens ausmacht. In Summe waren das 2012 mehr als 124 Millionen Menschen in Europa, fast vier Millionen mehr als noch im Jahr davor. Zugenommen hat auch die Zahl jener, die unter gravierender Armut leiden, also wegen fehlender Mittel in ihren Lebensbedingungen eingeschränkt sind. 2012 waren das knapp acht Prozent.
Für die am stärksten von Armut betroffenen Menschen gibt es finanzielle Unterstützung aus einem EU-Fonds. Das Parlament hat am Dienstag seine Zustimmung für die Freigabe von 3,5 Milliarden Euro für die Jahre 2014 bis 2020 gegeben. Aus dem Fonds werden nationale Programme zur Armutsbekämpfung finanziert, vor allem zur Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln, Hygieneartikeln und Kleidung, aber auch zur Unterstützung von Obdachlosen bei der Wohnungssuche. Österreich stehen 16 Millionen Euro aus dem Hilfsfonds zur Verfügung.