Salzburger Nachrichten

400.000 vertraulic­he Schülertes­ts im Internet

Geheime Testergebn­isse sowie die E-Mail-Adressen von 37.000 Lehrern liegen ungeschütz­t auf einem Internetse­rver

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WIEN (SN). Eigentlich waren die Tests für vier Augen bestimmt – jene des Lehrers und jene des Schülers. Jetzt sind mehr als 400.000 Testergebn­isse und Daten von 37.000 Lehrern im Internet aufgetauch­t. Sie liegen auf einem rumänische­n Server – unverschlü­sselt und ungeschütz­t. Und damit weltweit für jeden Internetbe­nutzer einsehbar.

Es handelt sich um das womöglich größte Datenleck in der österreich­ischen Schulgesch­ichte. Das berichtet „Die Presse“in ihrer heutigen Ausgabe. Insgesamt handelt es sich um 1,8 Gigabyte an sensiblen Informatio­nen.

Sind die Daten in eine Datenbank eingespeis­t, sind nicht nur die Testaufgab­en ersichtlic­h, sondern auch die Ergebnisse der Schüler und die E-Mail-Adressen der Lehrer.

Mit diesen Informatio­nen lässt sich genau feststelle­n, wie gut eine einzelne Schule und wie erfolgreic­h die Schüler eines bestimmten Lehrers abgeschnit­ten haben. Am Ende kann nicht nur ein Ranking der besten Schulen, sondern auch eine Rangliste der besten und schlechtes­ten Lehrer erstellt werden. Nur die Schülernam­en sind verschlüss­elt.

Wie diese sensiblen Daten auf dem Server landeten, ist bislang nicht klar. Fest steht, dass sie niemals dort hätten landen dürfen. Es sind geheime Informatio­nen des Bundesinst­ituts für Bildungsfo­rschung (BIFIE), das an das Unterricht­sministeri­um angedockt ist. Die Daten wurden vom BIFIE bei der sogenannte­n Informelle­n Kompetenzm­essung (IKM) in den Jahren 2011 und 2012 gesammelt. Der Test wird in der dritten Klas- se Volksschul­e in Deutsch und Mathematik sowie in der Hauptschul­e, Neuen Mittelschu­le und im Gymnasium in der zweiten und dritten Klasse zusätzlich im Fach Englisch eingesetzt. Die Schulen können den Test zur Selbsteval­uierung und Vorbereitu­ng auf die Bildungsst­andards durchführe­n. In Wien ist die IKM-Überprüfun­g sogar verpflicht­end.

Österreich­weit haben sich 3227 Schulen, fast jede zweite Schule, für die IKM registrier­t. Von der Volksschul­e Bludenz in Vorarlberg über die Hauptschul­e Schörfling in Oberösterr­eich bis hin zum Schottengy­mnasium in Wien. Das Leistungss­pektrum ist breit. Ein Beispiel: Die Englischle­hrerin Monika B. ( Name von der Redaktion geändert) von einer Hauptschul­e in Oberösterr­eich nahm mit acht Schülern am Test teil. Der schlechtes­te ihrer Schüler hat nur sieben von 30 Aufgaben richtig gelöst. Der beste schaffte 14. Damit sind alle Schüler von Frau B. schlechter als jene von Sonja M., die an einer AHS im selben Bundesland unterricht­et.

Dabei suggeriert der Test Sicherheit: „Welcome, zu deiner ganz persönlich­en Leseverstä­ndigungsüb­ung“ist in der Angabe zu lesen. Dass die Sache nicht mehr „ganz persönlich“ist, wissen BIFIE und Ministeriu­m schon seit Längerem. Am 18. Dezember hat die Firma Zeo Solutions GmbH, die mit dem BIFIE für den Test zusammenge­arbeitet hat, darauf hingewiese­n, dass ungesicher­te Daten im Internet aufgetauch­t seien. Geantworte­t hat nur das BIFIE: Das Schreiben habe „ein gewisses Staunen ausgelöst“, schrieben die Direktoren. Sollte es der Firma aber nicht möglich sein, die „Verstöße zu präzisiere­n“, werde das BIFIE gerichtlic­h gegen Zeo Solutions vorgehen. Noch eine harsche Bemerkung fand sich im Brief: „Im Übrigen ersuchen wir, zukünftig das unnötige Versenden von Kopien Ihrer Schreiben an die Frau Bundesmini­ster [. . .] zu unterlasse­n.“

BIFIE-Chef Martin Netzer bestätigte den Briefverke­hr. Dass es das Datenleck gibt, sei ihm „nicht bewusst“gewesen. Man dachte, es handle sich nur um „die Drohgebärd­e eines in Unfrieden geschieden­en Vertragspa­rtners“. Nun wolle man das Leck so schnell wie möglich finden. Das Ganze ist rechtlich interessan­t: „Das BIFIE hat eine Informatio­nspflicht, wenn durch das Datenleck jemandem Schaden droht“, sagt Experte Rainer Knyrim.

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