Salzburger Nachrichten

Am Klima nicht herumdokte­rn

Sonne. Es gibt viele kuriose Vorschläge, die Erwärmung der Erde in den Griff zu bekommen. Doch Forscher warnen eindringli­ch davor, riskante Technologi­en dazu einzusetze­n.

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KIEL (SN, dpa). Kieler Forscher warnen vor dem Versuch, die Erderwärmu­ng mithilfe von Großtechni­ken zu bremsen. Die Potenziale solcher Techniken eines Geoengenee­ring seien relativ gering, die Nebenwirku­ngen könnten aber fatal und nicht einschätzb­ar sein, sagen die ForscherDa­vid Keller und Andreas Oschlies vom Zentrum für Ozeanforsc­hung Kiel.

Sie untersucht­en in Computersi­mulationen die Langzeitfo­lgen solcher Großtechni­ken. Ergebnis: Selbst wenn derMensch verschiede­ne Technologi­en kombiniert, lässt sich das Ziel, nur durch technische­n Einsatz den globalen Temperatur­anstieg auf zwei Grad Celsius bis 2100 zu begrenzen, nicht erreichen. Einmal ergriffene Maßnahmen können nicht gestoppt werden, ohne dass sich der Klimawande­l danach nicht sofort wieder beschleuni­gt.

So gibt es Vorschläge, die Ozeane mit Eisen zu düngen, damit zusätzlich­es Plankton Kohlendiox­id (CO ) aus der Luft binden kann.

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Andere Ideen setzen in der Atmosphäre an, wo mit Aerosolen (winzigen Schwebetei­lchen in der Luft) oder Spiegeln die Sonneneins­trahlung reduziert werden soll. Die Düngung der Ozeane sorgte zwar für eine verstärkte Bindung von CO durch das

2 Plankton, aber auch für eine Zunahme von nahezu sauerstoff­freien, „toten“Zonen imMeer.

Für ihre Studie wählten die Kieler Forscher fünf viel diskutiert­e Maßnahmen: Die Abschirmun­g von Sonnenstra­hlung in der Atmosphäre, die Aufforstun­g großer Wüstengebi­ete in Nordafrika und Australien sowie drei verschiede­ne Techniken, mit denen Kohlendiox­id im Ozean gebunden werden soll. Parallel ließen die Forscher ihr Erdmodell ohne klimaregul­ierende Maßnahmen auf Grundlage aktueller Prognosen des UNO-Klimarats laufen.

Selbst unter idealen Voraussetz­ungen war der Nutzen der Maßnahmen in den Modellen begrenzt. Die Aufforstun­g der Sahara und des australisc­hen Outbacks verstärkte sogar die Erderwärmu­ng. „Die Wälder absorbiert­en Kohlendiox­id aus der Atmosphäre, dafür wurde die Erdoberflä­che dunkler und speicherte mehr Wärme“, erklärt Keller. Der schlimmste Fall wäre, wenn der Monsun sich nördlich oder südlich verschiebe­n oder in Indien sogar ganz ausbleiben würde.

Und was passiert, wenn die eingesetzt­en Technologi­en aus politische­n oder technische­n Gründen abgeschalt­et würden? „Bei fast allen sahen wir eine rasante Angleichun­g an die Klimaentwi­ck- lung ohne Climate Engineerin­g“, sagt Keller. Wenn die Sonnenstra­hlung nach 50 Jahren plötzlich nicht mehr abgeschwäc­ht wird, erwärmt sich die Erde in womöglich nur wenigen Jahren um mehrere Grade. Die Entwicklun­g wäre also viel schneller als der aktuelle Klimawande­l, mit größeren Auswirkung­en. Vor allem USA, Großbritan­nien und Kanada sind an solchen Großtechni­kern sehr interessie­rt. Nicht zuletzt wegen der Lobbyisten im Land, die den Klimawande­l hartnäckig wegreden wollen. Bereits in den nächsten fünf Jahren ist mit ersten Feldexperi­menten zu rechnen. In den USA könnten schon heuer Aerosolver­suche stattfinde­n, um Sonnenlich­t abzuschatt­en. Die Reduzierun­g von CO -Emissionen sei

2 aber letztlich der effektivst­e Weg, den Klimawande­l aufzuhalte­n, sagen die Kieler.

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