Salzburger Nachrichten

„Kohr war nie Präsident der heimischen Gartenzwer­ge“

- HEINZ BAYER

Zwanzig Jahre nach seinem Tod erscheint ein neues Buch über Leopold Kohr. „Das menschlich­e Maß. Eine Utopie?“lautet der Titel. Geschriebe­n wurde es vom Salzburger ORF-Journalist­en Gerald Lehner. Von ihm stammt auch die 1994 erschienen­e Kohr-Biografie. Das neue Werk wird heute, Mittwoch, 26. Februar, im ORF-Landesstud­io Salzburg präsentier­t (19 Uhr, Eintritt frei). Wir sprachen mit dem 1963 in Bad Gastein geborenen Autor Gerald Lehner. SN: Zwischen Kohr und Ihnen liegen mehrere Generation­en. Wie oft trafen Sie ihn eigentlich? Lehner: Fünf Mal. Jeweils in Gloucester, England, es waren lange Gespräche. Gloucester liegt an der Grenze zuWales. SN: Kohrs Lehre vom menschlich­en Maß ist so aktuell wie nie. Nur: Hören will davon niemand. Lehner: Das ist ein Mysterium. 20 Jahre nach seinem Tod gibt es ganz viele Leute, die gar nicht wissen, dass er Salzburger war. Dabei ist seine geopolitis­che Rolle im Zweiten Weltkrieg im Sinne Österreich­s eine enorm wichtige gewesen. Es wird ihm immer das Zitat „small is beautiful“umgehängt und so macht man Leopold Kohr zum Präsidente­n der Gar- tenzwerge. Das war er nie. Er hat während des Zweiten Weltkriegs für die führenden US-Zeitungen als Kolumnist gearbeitet. Er vermittelt­e den Amerikaner­n sehr viel Hintergrun­dwissen. Er hat sich für eine bessere Behandlung der Österreich­er, die in den USA als Kriegsgefa­ngene interniert waren, eingesetzt. Er war, jenseits nationalis­tischer Reflexe, ein österreich­ischer Patriot im besten Sinn und ein Weltbürger. SN: Stört es Sie, wenn Ihr neues Buch in die Schublade „populärwis­senschaftl­ich, kurz, knackig, übersichtl­ich und gut zu lesen“gelegt wird? Lehner: Im Gegenteil. Das freut mich. Das Buch zeichnet durch viel mehr O-Töne ein stärkeres Profil von Kohr.

SN: Was bleibt von Kohr? Lehner: Viele, die sich mit seinem Namen schmücken und nichts für die Lehre tun. Und solche, die viel für die Lehre tun, wie die Familie Vötter und der Verein Tauriska, die man aber allein lässt. Es bleibt auch die Gewissheit, dass Kohr recht hat.

Gerald Lehner. Das menschlich­e Maß. Eine Utopie. Gespräche mit Leopold Kohr; gebunden, 182 Seiten; Edition Tandem; ISBN 978-3-902932-01-3

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Bild: SN/TICHY Philosoph Leopold Kohr im Gespräch mit Gerald Lehner.

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