Jahr für Jahr stirbt ein Prominenter
101 Nachrufe erinnern an Persönlichkeiten, die auf eigenwillige Art gelebt haben – und starben.
Je nachdem wie viele Jahre man bereits auf der Erde verbracht hat, erinnert man sich der einen oder anderen Persönlichkeit, hat eigene Vorstellungen und Wahrnehmungen. Undmanerinnert sich an den Moment, als die jeweilige Nachricht vom Ableben um die Welt ging. Wenn nun in einem Buch 101 Lebensgeschichten vereint sind, hat das den Zweck, das 20. Jahrhundert auf spezielle Weise in Erinnerung zu rufen: Jahr für Jahr, anhand von Todesfällen. DerUntertitel „101 Nachrufe“weckt Assoziationen, die aber nicht eingelöst werden. Denn es geht den Autoren eher darum, eine unterhaltsame Lektüre zu den Persönlichkeiten zu erstellen und keine Hagiographie zu erarbeiten.
Da kann jemand noch so berühmt sein, er ist einMensch wie du und ich. Und das ist pointiert und amüsant beschrieben, denn auf originelle bis flapsige Formulierungen verstehen sich Georg Thiel und Florian Baranyi. Sie schlagen einen Bogen über die Jahre anhand von Sterbedaten und, besser, Todesarten, dabei stehen sie oft am Totenbett halbwegs „bunter Vögel“. Künstler sind darunter, Leute, die ihr Leben selbst inszenierten, aber auch andere, deren Biografie von anderen manipuliert wurde.
Mit Oscar Wilde, der 1900 starb, beginnt die Serie. „Meine Tapete und ich fechten gerade ein Duell auf Leben und Tod aus“, sagte der Todkranke zu einem Besucher, „einer von uns muss gehen.“Leider gewann die Tapete, folgern die beiden Autoren. Das 20. Jahrhundert begann also – im Buch – mit dem Exitus eines Mannes. Und es endet mit dem Abgang einer Frau. Beide waren gegen Lebensende von Depressionen geplagt, beide starben im Bett. Als Letzte findet sich eine Dame namens Lolo Ferrari. Nie gehört? Bilder fehlen, aber die kann man ja googeln, was sich empfiehlt. Anschaulich wird das erbärmlich endende Leben der Französin ausgebreitet, das 1963 eigentlich vielversprechend begann. Wäre da nicht die Mutter gewesen, die ihre Tochter furchtbar behandelte aus Ärger über ihren untreuen Gatten. Die Zerstörung des Selbstwertge- fühls der Tochter gelang. Als Ausflucht hängte sich das Mädchen ausgerechnet an einen Mann, der ihr besonderes Potenzial zu erkennen glaubte. Prostituierte, Pornos – und Operationen: Nach 22 Eingriffen sah Lolo Ferrari aus wie Frankensteins Geschöpf, die Busengröße brachte sie ins Buch der Rekorde. Als sie tot im Bett gefunden wurde, wurde Alkohol- und Medikamentenmissbrauch diagnostiziert. Der Mordverdacht, der den Witwer ins Gefängnis brachte, konnte nicht bestätigt werden.
Eine zufällige Auswahl aus 101 Jahren: 1901 starb Henri ToulouseLautrec, 1915 Alois Alzheimer, 1917 Mata Hari, 1939 Sigmund Freud, 1958 Papst Pius XII., 1973 Ingeborg Bachmann, 1989 Nicolae Ceaușescu und 1998 Falco. Dessen Ehrengrab, das wohl zu Allerheiligen wieder reich geschmückt wird, kann man am Zentralfriedhof besuchen. Man müsse tot sein, um zu leben, sang Österreichs erfolgreichster Popstar.