Salzburger Nachrichten

Berater profitiert­en am meisten vomStresst­est

Während die einen sich über ein vermeintli­ch stabiles Bankensyst­em in Europa freuen, kritisiere­n andere die Testkriter­ien als zu weich.

- HELMUT KRETZL WIEN. Willibald Cernko,

25 der 130 größten Banken Europas sind bei einem simulierte­n Krisenszen­ario über drei Jahre durchgefal­len. Sie müssen – sofern noch nicht geschehen – binnen zwei Wochen Pläne vorlegen, wie sie in den nächsten Monaten ihr Eigenkapit­al stärken können, sonst droht ihnen die Schließung. In Österreich haben fünf von sechs Banken bestanden.

1.

Wie ist das Gesamterge­bnis zu beurteilen?

Während die Banken stolz darauf hinweisen, um wie viel sie die vorgeschri­ebene Untergrenz­e bei den Eigenmitte­ln (8,0 Prozent unter Normalbedi­ngungen, 5,5 Prozent in einem simulierte­n Stress-Szenario) überschrit­ten haben, sehen das neutrale Beobachter kritischer. Bankenexpe­rte Franz Hahn vom Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo) sagt, die Banken hätten nur „ein mehr als bescheiden­es Testziel erreicht“. Daher hätten selbst Wackelkand­idaten bestanden. Hahn vergleicht den Test mit einem „Gesundheit­scheck, bei dem ein Blutdruck unter 160/120 als Idealwert gilt“, damit habe man die Latte sehr tief angesetzt. In die gleiche Kerbe schlägt das kritischeN­etzwerk Attac, das die Anforderun­gen als „viel zu niedrig“einstuft. Schon die volle Anwendung der ab 2018 gültigen Kapitalanf­orderungen von Basel III hätte 34 statt 25 Banken durchfalle­n lassen, darunter auch die Bawag/P.S.K. und RZB (Raiffeisen Zentralban­k). Bankenverb­ands-Vorsitzend­er Willibald Cernko würde eine Gesamtnote von „zwei bis drei oder drei“vergeben.

2.

Gibt es jetzt mehr Bankenzusa­mmenschlüs­se?

Manche würden das hoffen, denn Europa hat noch immer vergleichs­weise viele Banken, und der scharfe Wettbewerb drückt auf die Erträge. PhilippWac­kerbeck vomUnterne­hmensberat­er strategy& (vormals Booz & Company, eine Tochter von Pricewater­houseCoope­rs) warnt

3.

„Schulnote zwei bis drei, nicht mehr.“

aber davor, Bankenfusi­onen als Allheilmit­tel zu sehen. Das helfe zwar, Kosten zu sparen, bringe aber keine neuen Erträge. Mit anderenWor­ten: „Zwei Fußkranke zusammen sind noch keine Sprintstaf­fel.“

Wie liegen die österreich­ischen Banken im internatio­nalen Vergleich?

Auf den ersten Blick nicht schlecht. Das Scheitern des Volksbanke­nSpitzenin­stitutsÖVA­Gwar erwartet worden, zudem hat sie bereits die eigene Zerschlagu­ng angekündig­t und eingeleite­t. Allerdings erzielt Österreich bei der Beurteilun­g der Kreditport­folios („Asset Quality Review“, AQR) das viertschwä­chste Ergebnis aller Länder. Dieser Faktor drückt das Eigenkapit­al der AustroBank­en um 8,1 Prozent – der EU- Durchschni­tt liegt bei drei Prozent. Wifo-Experte Franz Hahn sieht den Grund in den starken Aktivitäte­n in Mittel-/Osteuropa, wo traditione­ll „optimistis­ch bilanziert“werde. Die Banken sollten den Test als „Schuss vor den Bug“verstehen, rät er.

4.

Wasmüssen die Banken jetzt konkret tun?

Vor allem zusätzlich­es Eigenkapit­al aufbauen, sagt Wifo-Experte Franz Hahn. „Ziel muss sein, möglichst hoch über das regulatori­sche Minimum zu kommen.“Hahn verweist auf deutlich höhere Eigenkapit­alanforder­ungen in der Schweiz.

5.

Wie haben die Märkte auf die Ergebnisse reagiert?

Unterschie­dlich. In Deutschlan­d und Österreich herrschte zunächst Erleichter­ung über den Ausgang, einzelne Bankenakti­en wie die Erste oder die RBI inWien legten deutlich zu. Anders in Italien, wo gleich neun Banken den Test nicht bestanden haben. An der Börse Mailand stürzten die Aktien der BancaMonte dei Paschi di Siena (MPS) und der Banca Carige am Montag um 15 beziehungs­weise um 18 Prozent ab. Die Papiere wurden zeitweise vom Börsenhand­el ausgesetzt. Andere italienisc­he Bankaktien stiegen im Wert, sogar solche, die ebenfalls durchfiele­n.

6.

Wer profitiert ammeisten vom Stresstest?

Der Berater strategy& schätzt die Gesamtkost­en auf 700 Mill. bis eine Milliarde Euro – ohne bankintern­e Kosten. DerGroßtei­l davon fließt an die großen Wirtschaft­sprüfer und Beratungsu­nternehmen.

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