Wir üben gern heimlich Rache
Dem offenen Konflikt gehen die meisten Menschen gern aus dem Weg. Männer werden daher meist subtil bestraft. Bei Frauen ist die Gesellschaft weit weniger zimperlich.
Menschen rächen Missetaten anderer Artgenossen vorzugsweise auf Umwegen. Unmittelbar jemanden zurechtzuweisen, das liegt den meisten nicht. Diese Beobachtungen machte der Innsbrucker Ökonom Loukas Balafoutas mit seinen internationalen Kollegen in einer Untersuchung über das menschliche Verhalten.
Die Forscher ließen männliche und weibliche Schauspieler am Hauptbahnhof in Köln 500Mal leere Kaffeebecher vermeintlich achtlos auf den Bahnsteig werfen. Nur etwa jedes zwanzigste Mal wurden die männlichen Schauspieler direkt gemaßregelt, worauf sie ihren Mist anstandslos aufhoben. Ihre Kolleginnen erhielten jedoch bei gut jedem vierten Versuch einen Verweis.
„Der Grund dafür ist, dass man in so einer Situation vermutlich mehr Angst vor Männern als vor Frauen hat“, sagt Balafoutas. Ein Missetäter könnte ungehalten reagieren und die Situation eskalieren. Bei Frauen sei es viel unwahrscheinlicher, dass ihre Reaktion gefährlich ist.
„Die Männer werden dafür öfter auf subtilere Art, nämlich indirekt, bestraft“, sagt der Forscher. Die Schauspieler und Schauspielerinnen sollten in ihren Umhängetaschen stöbern und dabei etliche Bücher ausstreuen. Vor allem den männlichen Kaffeebecher-Wegwerfern wurde viel seltener beim Auf- heben geholfen als jenen Personen, die gar keinen Kaffeebecher auf den Bahnsteig geworfen hatten. Unterm Strich wurden die männlichen Kaffeebecher-Übeltäter doppelt so häufig wie die Frauen durch unterschlagene Hilfeleistung sanktioniert. Hatten die Passanten die Wahl, die vermeintlichen Umweltverschmutzer direkt oder indirekt zu bestrafen, zogen sie die indirekte Version vor.
Es sei eine häufige Erklärung, dass direktes Bestrafen dem „Rächer“gesellschaftliche Vorteile bringe, denn es müsse evolutionär einen Grund geben, dass sich dieses Verhalten etabliert habe, glaubt der Forscher. Immerhin sei es potenziell gefährlich und auf jeden Fall mit einem gewissen Aufwand verbunden, Übeltäter zur Rechenschaft zu ziehen. „Wir fanden aber nicht, dass man von der Umgebung mit sozialem Image oder anderswertig belohnt wird“, so Balafoutas. Wies nämlich ein zweiter Schauspieler den Übeltäter zurecht, um anschließend selbst Bücher auf dem Bahnsteig auszustreuen, kamen ihm deswegen nicht mehr Umstehende zu Hilfe, nur weil er sich vorher als couragiert erwiesen hatte. Die Frage, wieso Menschen das also tun, bleibt für die Forscher offen.