Salzburger Nachrichten

Wie funktionie­rt die vatikanisc­he Bürokratie? Papst Franziskus will die Kurie umgestalte­n und hat drei Reformkomm­issionen eingesetzt.

- Salzburg Kirchenrec­ht und Reformen

In bislang nicht gekannter Offenheit übte Papst Franziskus zu Weihnachte­n harsche Kritik an der Kurie und attestiert­e dieser gar 15 Krankheite­n – von Schizophre­nie über Größenwahn bis zu Geschwätzi­gkeit. Die röm. Kurie („Fürstenhof“, „päpstliche Regierung“, „kirchliche Verwaltung­sbehörden“) ist seit dem elften Jahrhunder­t die Bezeichnun­g für die Gesamtheit der kirchliche­n Behörden, durch die der Papst die Weltkirche leitet. Die Kurie hat nur die Gewalt, die ihr der Papst überträgt. Papst und Kurie zusammen bilden den Apostolisc­hen Stuhl („sedes apostolica“), der Rechtssubj­ekt ist (Can. 361 des CIC/83). Kurie als asymmetris­ches Konglomera­t: Der Bischof von Rom geht daran, die reformbedü­rftige Kurie umzugestal­ten, die vatikanisc­he Bürokratie zu straffen und neue Strukturen zu schaffen. Der apostolisc­he Apparat, in seinen goldenen Zeiten Vorbild für Fürstenhöf­e in al- ler Welt, gilt heute als ineffizien­t und intranspar­ent. Im Mittelalte­r hatten die Päpste noch ohne feste Strukturen regiert. Sie ließen sich von ihren Priestern und später von Kardinälen beraten und beriefen für besondere Anlässe Sonderarbe­itsgruppen ein. Später kam die Idee auf, ständige Organe mit festen Kompetenze­n zu schaffen. So entstanden die Kongregati­onen. Das Ergebnis ist ein historisch gewachsene­s, asymmetris­ches Konglomera­t. Damit kann die kath. Kirche auf Dauer nicht mehr regiert werden. Wie die Kurie heute funktionie­rt, regeln das Kanonische Recht und verschiede­ne päpstliche Beschlüsse. Im Wesentlich­en besteht die Kurie aus 28 Ämtern, die einander rechtlich gleichgest­ellt sind. Das Staatssekr­etariat: Es ist die zentrale Oberbehörd­e der Kirche. An der Spitze steht der Kardinalst­aatssekret­är, als Regierungs­chef des Vatikans ist er der zweitmächt­igste Mann hinter dem Papst. Die neun Kongregati­onen sind Ministerie­n vergleichb­are, kollegial verfasste Behörden. Sie werden von Kardinalpr­äfekten geleitet. Am ältesten ist die Glaubensko­ngregation, die über Glaubens- und Morallehre­n wacht. Ebenso wichtig sind die Bischofsko­ngregation, in der alle Bischofser­nennungen vorbereite­t werden, die Klerikerko­ngregation als Dienstaufs­icht für die Priester sowie die Heiligenko­ngregation, die Heilig- und Seligsprec­hungen vorbereite­t. Die elf Päpstliche­n Räte haben verschiede­nste Spezialzus­tändigkeit­en, sie dienen der Informatio­n und der Raterteilu­ng. Die drei Gerichtshö­fe sind die Apostolisc­he Signatur, die Rota Romana und die Apostolisc­he Pönitentia­rie. Kompetenzw­irrwarr: Selbst Kirchenfun­ktionären fällt es schwer, Durchblick zu bewahren. Der verwirrend­e Aufbau wird zusätzlich verkompliz­iert durch die unzureiche­nde Kommunikat­ion der einzelnen Vatikanste­llen untereinan­der. Reformkomm­issionen als Motor der Erneuerung: Franziskus hat drei Reformkomm­issionen eingesetzt. Eine Kommission hat sich ausschließ­lich mit der skandalumw­itterten Vatikanban­k IOR („Istituto per le opere di religione“) befasst und dem Papst einen Lageberich­t geliefert. Eine zweite Arbeitsgru­ppe, die „Päpstliche Kommission für die Evaluierun­g der wirtschaft­lichen und verwaltung­stechnisch­en Strukturen des Heiligen Stuhls“, zielt auf Vereinfach­ung und Rationalis­ierung bestehende­r Einrichtun­gen und auf ein vorsichtig­eres wirtschaft­liches Vorgehen aller vatikanisc­hen Verwaltung­en ab. Das zentrale Reformorga­n bilden acht Kardinäle, der „Kardinalsr­at“, zusammenge­setzt aus Vertretern aller fünf Kontinente. Subsidiari­tät versus röm. Zentralism­us: Das Prinzip der Subsidiari­tät soll gegenüber dem römischen Zentralism­us gestärkt werden.

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