Die Party ist vorbei, was nun?
Trotz stockender Wirtschaft geht es uns noch gut. Warum wir trotzdem an die Zeit nach dem Wachstum denken müssen – und warum Uber und Airbnb auch keine Lösung sind.
Der deutsche Soziologe Harald Welzer beschäftigt sich mit der Frage, wie gutes Leben in einer Wirtschaft ohne Wachstum aussehen kann. SN: Die Wirtschaft in der EU wächst kaum noch. Bedeutet das härtere Verteilungskämpfe? Welzer: Solche Verteilungsprozesse sind schon sehr vital im Gange, wir haben eine stetige Umverteilung von unten nach oben. Es gibt steigende Ungleichheit zwischen den extrem reichen Personen und einer breiter werdenden Gruppe eher armer Personen, auch global. Ich wundere mich, dass nicht mehr Menschen auf die Straße gehen. SN: Initiativen für eine gerechte Verteilung greifen also nicht? Die laufen in eine katastrophal falsche Richtung. Die zunehmende Verschuldung von Staaten und die Verarmung der öffentlichen Hand vergrößern solche Ungleichheiten. In Europa haben wir die perverse Situation, dass private kleinere Vermögen durch fehlende Zinsen enteignet werden, während an den Aktienmärkten, bei Luxusgütern oder Oldtimern ein Preisrekord nach dem anderen fällt. Die „Happy Few“wissen gar nicht, wo sie mit ihrer Kohle hin sollen. SN: Sind also für die meisten von uns die fetten Jahre vorbei? Für die Mehrheit in den reichen Ländern sind sie immer noch fett, auch wenn es Vermögensverluste gibt und keine Lohnzuwächse mehr wie in den 1970er-Jahren. Aber die Leute können sich materiell unglaublich viel leisten. Deshalb kommt niemand auf die Idee, dass am System etwas falsch sein könnte. Aber global betrachtet ist die Party für große Gruppen vorbei, bevor sie angefangen hat, etwa für die letzte Milliarde Menschen. Aufstrebende Mittelklassen in den Schwellenländern kriegen gerade ihre Familien satt. SN: Was passiert, wenn sich die Situation nicht verbessert? In aller Regel orientieren sich die Menschen dann nach rechts. Damit ich über „Post-Wachstum“nachdenken kann, muss ich mich in einem gesellschaftlichen Wohlstandsniveau aufhalten, dass mir der Gedanke überhaupt attraktiv erscheinen kann. Für Leute in Mangelgesellschaften ist das kein Thema. SN: Wir müssen uns also auf eine Zeit ohne Wachstum einstellen? Das ist in reichen Gesellschaften überfällig. Erstens braucht man nicht mehr, die Leute ersticken ja in Plunder und Tand. Sie können das ganze Zeug gar nicht mehr konsumieren, sondern wollen es nur noch haben – oder nur noch kaufen, aufbewahren und wegschmeißen. SN: Vielleicht eine Art der Suche nach dem Glück? Dafür brauchen wir kein Wachstum. Das Glücksempfinden steigt nicht mit dem materiellen Niveau. Wir in den reichen Gesellschaften haben das Privileg, dass wir uns Gedanken über eine moderne Ökonomie nach dem Wachstum machen können, wie wir Verteilungsfragen lösen, ohne Wachstumsgewinne verteilen zu können. Da gibt es ja kaum Expertise. SN: In Österreich wird gerade die Besteuerung von Vermögen heiß diskutiert. Das ist eine Möglichkeit. Oder man kann eine allgemeine Grundsicherung einführen. Man kann über das Verhältnis zwischen Eigenarbeit und Lohnarbeit neu nachdenken, über Arbeitszeitverkürzung. Vieles wurde schon angedacht. Vielleicht kann man daraus eine moderne Marktwirtschaft bauen, die mit weniger auskommt. SN: Kann die Ökonomie des Teilens eine Lösung sein, Modelle wie Airbnb? Das ist die radikale Vermarktlichung von sozialen Beziehungen. Bisher ging es um Arbeitsverhältnisse, Lohnverhandlungen oder Produktion, jetzt vermarktet man über Portale wie Uber, Airbnb und andere private Beziehungen. Die Share Economy, eine neue Form der Gemeinschaftlichkeit, ist die schöne Seite. Aber die Geschäftsmodelle dahinter sind eine Katastrophe. Sie schaffen weder Wert noch Arbeitsplätze. Die Portale sitzen in der Mitte und schöpfen Vermittlungsgebühren ab, während sich unten die Arbeitsverhältnisse radikal prekarisieren. Und die Gründer sind in wenigen Tage Milliarden wert. Das ist schon ziemlich abgefahren, das Modell.