Die Vermessung des Ichs wird alltäglich
Armbanduhren sind Technik, die man am Körper trägt. Die neue Generation von Uhren schaut direkt in den Körper hinein. Das hat auch positive Seiten.
Schon wieder so spät! Unseren Alltag kontrollieren wir mit Uhren. Sie messen die Zeit und wir messen uns an ihnen.
Am Montagabend hat Apple den Verkaufsstart der Apple Watch bekannt gegeben. Eine Uhr, die nicht nur Zeitmesser, Telefon, SMS-Maschine, Navi und Terminkalender ist. Diese Uhr wird auch unseren Körper vermessen. Den ganzen Tag, unbemerkt, über Sensoren im Gehäuseboden. Die Technik ist nicht neu. Pulsmesser und Schrittzähler gibt es seit Längerem. Neu ist, dass sie in einer alltagstauglichen Uhr verpackt sind, die durch perfektes Design das Zeug zum Kultobjekt hat. Beobachter gehen davon aus, dass Apple noch 2015 bis zu 35 Millionen Stück verkaufen wird. Man spricht vom „Next Big Thing“in der IT-Branche und die Konkurrenz hofft auf die Strahl- und Zugkraft von Apple. Die hat bereits mit iPhone und iPad den nötigen Kick gebracht.
Doch was bedeutet ein möglicher Siegeszug der Smartwatches für unseren Alltag? Wird es unser Leben verändern, wenn wir nicht nur daran erinnert werden, wie schnell die Zeit vergeht, sondern auch daran, was unsere Lebensführung mit unserem Körper macht? Die Apple Watch misst alle Aktivitäten, heißt es auf der Produktseite von Apple, vom einfachen Aufstehen bis zum Workout. „Dadurch kann dir die Apple Watch ein vollständiges Bild deiner täglichen Aktivität liefern.“Mir, und wem noch? Erste Ideen von Krankenversicherungen dazu gibt es bereits. Und der Horrorvorstellung einer Totalüberwachung geben derartige Szenarien zusätzlich Nahrung.
Man kann in der Technik, die uns als Smartwatches in schickem Design auf den Leib rückt, aber auch die Chance sehen, mehr über den eigenen Körper zu erfahren. Natürlich ist Quantified Self, das permanente Vermessen der eigenen Aktivitäten, eine Modeerscheinung. Die Gesundheit ist aber immer noch unser höchstes Gut. Wenn spielerische Elemente wie Ranglisten, Fortschrittsbalken und virtuelle Auszeichnungen dabei helfen, so manchen inneren Schweinehund zu überwinden, soll uns das nur recht sein. „Gamification“heißt das, wenn aus ungeliebten Tätigkeiten ein Spiel gemacht wird. Die Treppe und nicht den Aufzug zu nehmen, um noch ein paar Gutpunkte zu erhaschen. Warum nicht.
Die Smartwatch wird uns an unseren eigenen Zielen messen. Und sollte sie uns damit auf den Wecker gehen, kommt sie in die Vitrine und die Firmungsuhr wieder aufs Handgelenk. Aber haben wir uns mit der nicht auch beim Um-die-Wette-Laufen gestoppt?