Salzburger Nachrichten

Die Vermessung des Ichs wird alltäglich

Armbanduhr­en sind Technik, die man am Körper trägt. Die neue Generation von Uhren schaut direkt in den Körper hinein. Das hat auch positive Seiten.

- Thomas Hofbauer THOMAS.HOFBAUER@SALZBURG.COM

Schon wieder so spät! Unseren Alltag kontrollie­ren wir mit Uhren. Sie messen die Zeit und wir messen uns an ihnen.

Am Montagaben­d hat Apple den Verkaufsst­art der Apple Watch bekannt gegeben. Eine Uhr, die nicht nur Zeitmesser, Telefon, SMS-Maschine, Navi und Terminkale­nder ist. Diese Uhr wird auch unseren Körper vermessen. Den ganzen Tag, unbemerkt, über Sensoren im Gehäusebod­en. Die Technik ist nicht neu. Pulsmesser und Schrittzäh­ler gibt es seit Längerem. Neu ist, dass sie in einer alltagstau­glichen Uhr verpackt sind, die durch perfektes Design das Zeug zum Kultobjekt hat. Beobachter gehen davon aus, dass Apple noch 2015 bis zu 35 Millionen Stück verkaufen wird. Man spricht vom „Next Big Thing“in der IT-Branche und die Konkurrenz hofft auf die Strahl- und Zugkraft von Apple. Die hat bereits mit iPhone und iPad den nötigen Kick gebracht.

Doch was bedeutet ein möglicher Siegeszug der Smartwatch­es für unseren Alltag? Wird es unser Leben verändern, wenn wir nicht nur daran erinnert werden, wie schnell die Zeit vergeht, sondern auch daran, was unsere Lebensführ­ung mit unserem Körper macht? Die Apple Watch misst alle Aktivitäte­n, heißt es auf der Produktsei­te von Apple, vom einfachen Aufstehen bis zum Workout. „Dadurch kann dir die Apple Watch ein vollständi­ges Bild deiner täglichen Aktivität liefern.“Mir, und wem noch? Erste Ideen von Krankenver­sicherunge­n dazu gibt es bereits. Und der Horrorvors­tellung einer Totalüberw­achung geben derartige Szenarien zusätzlich Nahrung.

Man kann in der Technik, die uns als Smartwatch­es in schickem Design auf den Leib rückt, aber auch die Chance sehen, mehr über den eigenen Körper zu erfahren. Natürlich ist Quantified Self, das permanente Vermessen der eigenen Aktivitäte­n, eine Modeersche­inung. Die Gesundheit ist aber immer noch unser höchstes Gut. Wenn spielerisc­he Elemente wie Ranglisten, Fortschrit­tsbalken und virtuelle Auszeichnu­ngen dabei helfen, so manchen inneren Schweinehu­nd zu überwinden, soll uns das nur recht sein. „Gamificati­on“heißt das, wenn aus ungeliebte­n Tätigkeite­n ein Spiel gemacht wird. Die Treppe und nicht den Aufzug zu nehmen, um noch ein paar Gutpunkte zu erhaschen. Warum nicht.

Die Smartwatch wird uns an unseren eigenen Zielen messen. Und sollte sie uns damit auf den Wecker gehen, kommt sie in die Vitrine und die Firmungsuh­r wieder aufs Handgelenk. Aber haben wir uns mit der nicht auch beim Um-die-Wette-Laufen gestoppt?

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