Salzburger Nachrichten

Die leichte Hand des Deix

100 Zigaretten täglich kosteten Manfred Deix fast das Leben. Das ist aber nicht der Grund, warum er „ökonomisch­er arbeitet“.

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Ein bisschen klingt es nach Rückzug. Nach 20 Jahren hört Manfred Deix auch auf, für das Wochenmaga­zin „News“zu zeichnen. Dafür erschien ein neues Buch, das zeichneris­ch eine andere, „zarte“Qualität aufweist. Dennoch sind die Menschenbi­lder unverkennb­ar Deix. Um die Gesundheit des Cartoonist­en musste man sich aber Sorgen machen. Mittlerwei­le ist er wieder wohlauf. SN: Hätten Sie sich vorher unter einem Lungeninfa­rkt etwas vorstellen können? Deix: Nur vom Hörensagen. Ich hab gewusst, dass das etwas sehr Böses ist. Und ich habe zu Gott gebetet, dass mir selbst das nie passiert. Da sieht man, dass das Beten auch nicht so ergiebig ist. Der Himmelvate­r ist ein falscher Hund. SN: Abgesehen von den Lebensumst­änden, ändert so ein Erlebnis etwas an der Lebenseins­tellung? Wenn man dauernd um sein Leben bangen muss, wird man schon nachdenkli­cher, und seit ich weiß, dass ich sehr gefährdet bin, bin ich vorsichtig­er im Umgang mit dem Nikotin, ich reiß mich mehr zusammen als früher. SN: Im Vorwort Ihres neuen Buches reden Sie von „privaten Skizzen“, jetzt sind sie doch öffentlich, warum? Einfach, weil es notwendig war. Ich habe gemerkt, dass es Leute gibt, die mich immer wieder fragen: Wann gibt es wieder was von dir? Da das Material vorhanden war und es wenig Arbeit bereitet hat, das zu machen, dachte ich: Gut, hinein ins Vergnügen. SN: Auch wenn die Bilder ganz zart gezeichnet wirken, sind sie doch typisch Deix, bis hin zu den Bremsstrei­fen in der Unterwäsch­e und allem anderen, was menschlich­e Schwächen betrifft. Es ist duftiger. Also ich habe früher meine Bilder eher opulent gemacht, mit Farbe und detailreic­h. Dieses Mal habe ich es eher locker von der Hand gehen lassen. Und es hat mir ein großes Vergnügen gemacht, nicht so viel Aufwand zu betreiben wegen einer einzigen Zeichnung. Es war genussvoll, duftig vor mich hin zu malen und in derselben Zeit, die ich früher für ein Bild gebraucht habe, dieses Mal fünf zu machen. Das war ein ökonomisch­er Vorgang. SN: Sie haben einst als Bub im elterliche­n Wirtshaus die Menschen studiert und VorBilder gefunden. Hat sich nie jemand aufgeregt von den Roberts, Helgas, Harrys, die sich trotz skurriler Körperform­en wohl erkannten? Die Modelle habe ich da gefunden. Aufgeregt hat sich niemand, die haben ja meine Arbeiten nie gesehen. Ich war Geheimzeic­hner. Ich habe die Leute gezeichnet, was da entstanden ist, war absolut geheim. SN: Dieses Gasthaus in Böheimkirc­hen, gibt es das noch? Das ist lang kein Gasthaus mehr. Das hat den Weg vieler Gasthäuser genommen, das ist zwischendu­rch eine Wäscherei geworden, oder eine Putzerei, das Übliche halt. Ich weiß das heute gar nicht. SN: In Böheimkirc­hen gibt es dafür mittlerwei­le ein China-Restaurant, einen Pizza-Kebab-Treff und ein Tanzlokal namens „Besame“. Echt wahr? Was ist denn aus der gemütliche­n Welt geworden, aus der ich noch komme! Jetzt kommen die Besamer daher. Das ist eine grausliche Welt geworden! SN: Haben Sie jemals wieder in die „Kirchenzei­tung“geschaut, wo Ihre Karriere als Zeichner begann? Zu meiner Schande muss ich gestehen, ich habe nicht hineingesc­haut. Ich habe es schon lang nicht mehr in der Hand gehabt, dieses Blattl. SN: Ein bisschen Erotik muss auch sein, und sei es unter Priestern. Soll das die Toleranz fördern? Da müssen Sie die Pfarrer fragen. Mein Gott, die haben halt auch ihre Bedürfniss­e. Das Spatzerl meldet sich halt hie und da zu Wort. Und wenn das Spatzi Befehle erteilt, muss man tun, was das Spatzi verlangt. SN: Ihre Modelle sind dezidiert Niederöste­rreicher? Wenn ich in Tirol leben würde, hätte das sicher Niederschl­ag in meiner Arbeit finden müssen. Weil die Tiroler einfach anders ausschauen als die Niederöste­rreicher. Auf meinen Blättern kommen meistens Niederöste­rreicher vor. Ob das ihr Nach- oder Vorteil ist, weiß ich nicht. Aber ich habe sie zumindest berühmter gemacht, als sie vorher waren. SN: Haben Sie nie daran gedacht, wie etwa Haderer Comicstrip­s („Moff“) zu machen? Diese Art hatte ich nie vor. Das hätte mich zu sehr an dieses Stilmittel gebunden. Da hätte ich mich an die Regeln der Comicstrip­s halten müssen. Das hätte meiner Spontaneit­ät nicht geholfen, sondern sie eher eingedämmt. SN: Eigentlich sind Ihre Menschen ganz lieb. Sie mögen Kinder, Tiere, Blumen, Würstl und Wein. Sehen Sie die Mitmensche­n so positiv? Ich bin ja nicht der Feind meiner Umgebung. Um Gottes Willen! Mit den Österreich­ern lässt sich’s ja leben, tadellos sogar. Und vor allem bieten sie mir viel Stoff. Und damit bin ich hochzufrie­den mit meinen Mitmensche­n. SN: Hat sich der Umgang mit Ihnen geändert, nach dem Motto „Der Arme! War so schwer krank . . .“? Das glaube ich nicht. Ich bin geblieben, wie ich war. Mitleid habe ich bisher nicht feststelle­n können. SN: Ist es nicht schön zu wissen, dass Sie (Karikature­nmuseum Krems) ein Museum haben, schon zu Lebzeiten? Das ist eine angenehme Nebenersch­einung, schon. Wenn man weiß, dass die Stiche, die von mir stammen, irgendwann museal aufbereite­t werden, ist das nicht unangenehm. Das hat schon was! SN: Nachdem Sie sich vom Thema Islam raushalten, kommen Sie nicht ins Visier von Islamisten. Beruhigend, oder? Ich habe nicht vor, mir selbst ein Leid anzutun. Sich dazu zu äußern wäre wirklich Selbstmord, und ich denke nicht daran. Und dazu ist mir der ganze Themenkrei­s zu unsympathi­sch. Und ich will nicht unsympathi­sche Themen machen, da wehrt sich meine Hand dagegen inklusive Bleistift. Die schimpfen: Hör auf, Deppata! So was zeichnest du nicht! Es ist wirklich Selbstschu­tz. Warum soll man das machen, warum soll man denen das antun? Die tun einem ja gleich weh, diese merkwürdig­en Onkel. Den Ehrgeiz habe ich nicht, den Heldentod zu sterben. Ekelhaft!

Buch:

„Der Himmelvate­r ist ein falscher Hund.“

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Deix. Neue Zeichnunge­n. 110 S., Verlag Ueberreute­r.
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Manfred Deix, Cartoonist

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