Ungleiche Geschwister im Süden
Was Spanien auf dem Weg aus der Krise anders macht als Griechenland.
WIEN. Vor wenigen Jahren wurden Portugal, Italien, Griechenland und Spanien noch in einem Atemzug genannt. Mit ihren jeweiligen Anfangsbuchstaben wurden die Südländer wenig charmant in der Abkürzung PIGS zu einem Wort zusammengefasst. Heute dagegen gelten Griechenland und Spanien gewissermaßen als Gegenpole und Paradebeispiele für den höchst unterschiedlichen Umgang zweier Länder mit der Wirtschaftskrise und infolge dessen auch in der Behandlung durch die EU-Partner.
Diese These belegt Michael Spalek, der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Madrid. „Die EU verfolgt eine Politik von Zuckerbrot und Peitsche“gegenüber diesen beiden Ländern, sagt er – wobei sich Spanien als Musterschüler der geforderten Reformen erwies. Spanien und Griechenland weisen unübersehbare Parallelen in der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung auf. Beide führen mit Arbeitslosenquoten um die 25 Prozent die negativen Arbeitsmarktstatistiken der Eurozone an, wobei Griechenland seit Jahren die rote Laterne trägt. Beide Länder haben nach Jahren der Rezession zuletzt Wirtschaftswachstum aufweisen können, allerdings bei völlig unterschiedlicher Politik. Zwar verfolgten beide Länder über Jahre einen schmerzhaften Sparkurs, aber in Spanien zeitigen insbesondere Reformen auf dem Arbeitsmarkt erste Früchte. Spaniens Wirtschaft wuchs im Vorjahr um 1,3 Prozent, nachdem sie 2013 noch um 1,2 Prozent geschrumpft war. Griechenland erzielte zuletzt immerhin einen Primärüberschuss, also einen positiven Staatshaushalt ohne Zinszahlungen und Tilgungen.
Was für die einen ein Erfolg der Austeritätspolitik ist, sehen Gegner des Sparkurses als nicht nachhaltig an. Solche kleinen Fortschritte würden nicht ausreichen, um die Schulden je aus eigener Kraft zurückzahlen zu können, meint der spanische Ökonom Ivan Hayala. Er ist Mitarbeiter der austeritätsfeindlichen spanischen Podemos-Bewegung, die sich als Schwester der griechischen Regierungspartei Syriza versteht. Griechenlands Wirtschaft sei abgestürzt wie die eines Landes im Krieg, sagt Hayala, der die Schuldenexplosion seit dem Jahr 2008 auf 175 Prozent des Bruttoinlandsprodukts als „unumkehrbar“ansieht. Das sei in Spanien mit rund 100 Prozent Verschuldung anders, das Land müsste aber die strikten Sparmaßnahmen weitere 35 Jahre beibehalten, um auf die erlaubte Maastricht-Schuldengrenze von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zu kommen, rechnet Hayala vor.
Auch die Wirtschaftsstrukturen beider Länder sind unterschiedlich. Vollzog Spanien seit dem EU-Beitritt 1986 den Sprung vom Agrarstaat zum Land mit Industrie und Dienstleistungen, entstand in Griechenland nie eine nennenswerte Industrie. Die Infrastruktur Spaniens ist laut Spalek „ausgezeichnet“, alle großen Bahnverbindungen und Straßen seien in den letzten 20 oder 30 Jahren erneuert worden. Freilich nicht immer erfolgreich. Im ganzen Land erinnern unfertige Flughafenund Straßenprojekte an die geplatzte Immobilienblase, die dem Land noch immer zu schaffen macht.
„Spanien hat viele Probleme gelöst.“