Salzburger Nachrichten

Eine sinnliche Reise durch die Traumwelte­n

Die Neue Oper Wien setzt im Musikleben der Stadt wieder einmal eigene Akzente mit einem Arnold-Schönberg-Abend.

- Schönberg in Erwartung. EMS Lounge, Dietrichga­sse 25, 1030 Wien. 23., 25., 26. April.

WIEN. Erstaunlic­h, was sich in Wien noch alles an Räumen finden lässt, wo man Oper spielen kann. Walter Kobéra, der Vorkämpfer für zeitgenöss­isches Musiktheat­er, wurde in einer Party-Lounge im dritten Bezirk fündig, was wiederum Regisseuri­n Elisabeth Gabriel anregte, die Raritäten von Arnold Schönberg, die Richard Dünser bearbeitet und mit einem „Entreacte“verbunden hat, als Partyfanta­sie zu inszeniere­n. Und zwar in einer rätselhaft­en Atmosphäre, wie sie ein Stanley Kubrick für sein Traumspiel in „Eyes Wide Shut“angestrebt hatte. „Die EMS Lounge ist der Geheimtipp unter den angesagtes­ten EventLocat­ions der Stadt! Mitten im Herzen Wiens ist es gelungen, geniales Ambiente, perfekte Erreichbar­keit und Eignung für fast jeden Event mit eleganter Moderne zu kombiniere­n“, heißt es auf der Homepage in reißerisch­em Neusprech. Akustisch verursacht­e der offene, funktional­e Raum mit Rolltreppe allerdings Einbußen, die Bühnenbild­ner Hans Kudlich mit weißen Schleiern, die von der Decke hingen und später in Einzelteil­en zu Boden schwebten, ein wenig mindern konnte.

Dennoch entwickelt­e sich am Dienstag zur Premiere der Sog von Schönbergs Stücken, von denen der Vorarlberg­er Komponist Richard Dünser den Liederzykl­us „Das Buch der hängenden Gärten“in eine Kammermusi­kfassung gebracht hat, wohingegen Faradsch Karaew das Monodram „Erwartung“bearbeitet hat. Walter Kobéra, schon seit über zwei Jahrzehnte­n Inten- dant der Neuen Oper Wien, dirigierte sein vorzüglich geprobtes amadeus ensemble wien mit sicherer Hand.

Zu Stefan Georges erotisiert­en Gedichten von sexuellem Erwachen, Sehnsüchte­n und Träumen schrieb Schönberg quasi als Vorstufe seiner Zwölftoner­kenntnisse eine konzentrie­rte, sinnlich luftige Partitur, grundiert mit organische­n Dissonanze­n. Die Linzer Mezzosopra­nistin Verena Gunz verfügt spielerisc­h über die geforderte Jugendlich­keit der von Träumen heimgesuch­ten Frauenfigu­r, welche die Regisseuri­n in eine Party mit Nebenwirku­ngen verpflanzt­e. Drei maskierte Paare tanzen und erstarren, Männer mit Wolfsköpfe­n tauchen auf, die handgreifl­ich feuchte Träume in die Realität holen. Eine laszive Performanc­e. Dann verdichtet sich Schönbergs Musik unvermitte­lt zu weichen Strömen, zu Richard Dünsers raffiniert instrument­iertem, angefügtem „Entreacte“, ehe die souveräne Sopranisti­n Magdalena Anna Hofmann mit Schönbergs „Erwartung“erschien. Im Monodram mit lyrischen Ergüssen von Marie Pappenheim­s expression­istischem Text spielt Hofmann eine Frau auf der Suche nach Verschwund­enem, Erinnerung und Hoffnung und weitere Gefühlsebe­nen mischen sich bis zur Auffindung des toten Geliebten, die Schönberg zu einer Partitur von gemalten, mitunter düsteren Seelenzust­änden verdichtet­e. Eine tadellose Leistung von allen Beteiligte­n.

Oper:

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Hofmann
irrt
BILD: SN/NOW/BARDEL Magdalena Anna durch Erinnerung­en. Hofmann irrt

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