Salzburger Nachrichten

Sexy oder hässlich? Glatzen-Mann scheitert vor Gericht

- SN, dpa

Kurt H. ist verzweifel­t. „Die Leute schauen mich an und sagen: ,Da kommt der mit der Glatze.‘ Ich verkrafte das nervlich nicht“, sagt der 76-Jährige aus Contwig in Rheinland-Pfalz. Seit 32 Jahren leidet der Deutsche an vollständi­ger Haarlosigk­eit – kein Bart, keine Wimpern, keine Augenbraue­n. Bis 2011 zahlte die Krankenkas­se – insgesamt über Jahrzehnte – Zuschüsse für seine Perücken. „Ich muss eine Perücke tragen, wenn ich rausgehe. Ich kann doch nicht immer eine Mütze aufsetzen bei Sonne“, sagt er. Doch – wie erwähnt – 2011 lehnt die AOK (Allgemeine Ortskranke­nkasse) Rheinland-Pfalz seinen Antrag ab. Zu Recht, wie jetzt am Mittwoch das Bundessozi­algericht (BSG) in Kassel entschiede­n hat.

Die Haarlosigk­eit habe bei Kurt H. keine entstellen­de Wirkung, begründete der 3. Senat des BSG das Urteil. Dass der Betroffene das anders empfinde, sei nicht maßgeblich.

Er sei traurig über das Urteil, sagte H. der Deutschen Presseagen­tur. Fotografie­ren lassen will sich der 76-Jährige nicht.

Ist Glatze nun sexy oder müssen Männer da einfach durch? Geschmacks­frage. Grundsätzl­ich aber können Männer in bestimmten Fällen eine Perücke von der Krankenkas­se bezahlt bekommen. Allerdings muss eine Krankheit vorliegen, und der unbehaarte Kopf muss eben eine entstellen­de Wirkung haben, wie das Bundessozi­algericht entschied.

Eine „normale“Glatze wie bei vielen älteren Männern reicht da nicht. Und weil bei Männern viel öfter „die Stirn wächst“als bei Frauen, ist eine Glatze auch eher hinzunehme­n. Bei Frauen hingegen ziehe ein Haarverlus­t Blicke auf sich und sei, wenn er entstellen­d wirke, „krankheits­wertig“, sodass eine Krankenkas­se eine Perücke bezahlen könne, urteilten die höchsten deutschen Sozialrich­ter. Das könne auch für junge Männer gelten. Eine Ungleichbe­handlung zwischen Jungen und Alten oder zwischen Männern und Frauen sehen die Bundesrich­ter darin allerdings nicht. Bei Kurt H. bestehe kein Anspruch, auch weil die Perücke nicht der Sicherung des Erfolgs der Krankheits­behandlung diene.

Peter H. hat bislang alle drei Jahre eine neue Perücke bekommen, die letzte Kunsthaarp­erücke kostete 820 Euro. Er hat sie zur Gänze selbst bezahlt.

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BILD: SN/ISTOCK Nicht jeder kann mit einer Glatze gut leben (Symbolfoto).

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