Ein Mindestlohn ist kein Allheilmittel
Mindestlöhne verhelfen Menschen zu einer gesicherten Existenz. Über Nebenwirkungen und Risiken müssen wir reden.
In Bangladesch jährt sich heute, Freitag, zum zweiten Mal die fürchterliche Brandkatastrophe, bei der 1100 Textilarbeiterinnen und Textilarbeiter getötet wurden, weil nicht einmal minimale Sicherheitsstandards eingehalten worden waren. Seitdem wurde in der westlichen Welt viel über unhaltbare Zustände in den asiatischen Fabriken, in denen unsere Kleidung genäht wird, debattiert und ebenso viele Änderungen gefordert. Einiges wurde erreicht. So wurde zum Beispiel der Mindestlohn in Bangladesch auf rund 50 Euro im Monat erhöht, was freilich noch immer kein existenzsichernder Lohn ist. Also hält die Kritik an.
In Österreich geht es uns so gut wie nie. Ganz allgemein betrachtet. Trotzdem arbeiten eine halbe Million Menschen für so wenig Geld, dass sie kaum oder schlecht ihr Leben damit bestreiten können. Auch in Österreich ist die Einführung eines Mindestlohns wieder ein Thema. Die Grünen fordern ihn zumindest für jene Bereiche, die keinem Kollektivvertrag unterliegen. Gesicherte Existenz in Dhaka bedeutet etwas anderes als in Wien. Aber dennoch darf man sie für Bangladescher genauso wie für Österreicher einmahnen. Denn es ist dort wie da eine Schande, dass Menschen, die tüchtig sind und Leistung erbringen, nicht so viel Geld dafür bekommen, dass sie ein halbwegs normales Leben führen können. Nur, ein Mindestlohn kann die Welt nicht retten. Er könnte sogar zusätzliche Arbeitslosigkeit bei den am schlechtesten oder gar nicht ausgebildeten Menschen produzieren. Wenngleich eine Evaluierung in Deutschland, wo es seit Jänner einen Mindestlohn gibt, dies bisher in keinem erkennbaren Ausmaß zeigt. Dafür hat der Mindestlohn in Deutschland zu gesteigerten Konsumausgaben geführt, weil mehr verfügbares Einkommen da ist. Das täte auch der österreichischen Wirtschaft gut.
Österreich hat ein gut funktionierendes Kollektivvertragssystem, das ganz besonders in den männerdominierten Branchen gute Löhne garantiert und darüber hinaus ordentliche Arbeitsbedingungen. Doch es gibt noch immer Branchen mit Kollektivverträgen, die weit unter einem geforderten Mindestlohn von 9,30 Euro die Stunde beziehungsweise 1550 Euro brutto im Monat liegen. Zudem halten sich nicht alle Arbeitgeber an Kollektivverträge. Ein Mindestlohn für den ungeregelten Bereich könnte das gesamte Lohnniveau besser abstützen sowie die schwarzen Schafe unter den Arbeitgebern unter Druck setzen. Er könnte aber auch Klein- und Mittelständlern zusetzen. Sie müssten im Gegenzug entlastet werden.