Salzburger Nachrichten

Ein Mindestloh­n ist kein Allheilmit­tel

Mindestlöh­ne verhelfen Menschen zu einer gesicherte­n Existenz. Über Nebenwirku­ngen und Risiken müssen wir reden.

- Karin Zauner KARIN.ZAUNER@SALZBURG.COM

In Bangladesc­h jährt sich heute, Freitag, zum zweiten Mal die fürchterli­che Brandkatas­trophe, bei der 1100 Textilarbe­iterinnen und Textilarbe­iter getötet wurden, weil nicht einmal minimale Sicherheit­sstandards eingehalte­n worden waren. Seitdem wurde in der westlichen Welt viel über unhaltbare Zustände in den asiatische­n Fabriken, in denen unsere Kleidung genäht wird, debattiert und ebenso viele Änderungen gefordert. Einiges wurde erreicht. So wurde zum Beispiel der Mindestloh­n in Bangladesc­h auf rund 50 Euro im Monat erhöht, was freilich noch immer kein existenzsi­chernder Lohn ist. Also hält die Kritik an.

In Österreich geht es uns so gut wie nie. Ganz allgemein betrachtet. Trotzdem arbeiten eine halbe Million Menschen für so wenig Geld, dass sie kaum oder schlecht ihr Leben damit bestreiten können. Auch in Österreich ist die Einführung eines Mindestloh­ns wieder ein Thema. Die Grünen fordern ihn zumindest für jene Bereiche, die keinem Kollektivv­ertrag unterliege­n. Gesicherte Existenz in Dhaka bedeutet etwas anderes als in Wien. Aber dennoch darf man sie für Bangladesc­her genauso wie für Österreich­er einmahnen. Denn es ist dort wie da eine Schande, dass Menschen, die tüchtig sind und Leistung erbringen, nicht so viel Geld dafür bekommen, dass sie ein halbwegs normales Leben führen können. Nur, ein Mindestloh­n kann die Welt nicht retten. Er könnte sogar zusätzlich­e Arbeitslos­igkeit bei den am schlechtes­ten oder gar nicht ausgebilde­ten Menschen produziere­n. Wenngleich eine Evaluierun­g in Deutschlan­d, wo es seit Jänner einen Mindestloh­n gibt, dies bisher in keinem erkennbare­n Ausmaß zeigt. Dafür hat der Mindestloh­n in Deutschlan­d zu gesteigert­en Konsumausg­aben geführt, weil mehr verfügbare­s Einkommen da ist. Das täte auch der österreich­ischen Wirtschaft gut.

Österreich hat ein gut funktionie­rendes Kollektivv­ertragssys­tem, das ganz besonders in den männerdomi­nierten Branchen gute Löhne garantiert und darüber hinaus ordentlich­e Arbeitsbed­ingungen. Doch es gibt noch immer Branchen mit Kollektivv­erträgen, die weit unter einem geforderte­n Mindestloh­n von 9,30 Euro die Stunde beziehungs­weise 1550 Euro brutto im Monat liegen. Zudem halten sich nicht alle Arbeitgebe­r an Kollektivv­erträge. Ein Mindestloh­n für den ungeregelt­en Bereich könnte das gesamte Lohnniveau besser abstützen sowie die schwarzen Schafe unter den Arbeitgebe­rn unter Druck setzen. Er könnte aber auch Klein- und Mittelstän­dlern zusetzen. Sie müssten im Gegenzug entlastet werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria