Tracey Emin entdeckt Schiele
Die britische Künstlerin machte einst mit einem „gebrauchten“Bett Furore, jetzt zeigt sie ihre Werke im Leopold-Museum gemeinsam mit Werken ihres Helden Egon Schiele.
erfuhr sie erstmals als 15-Jährige, als ein Freund sie aufmerksam machte auf den Österreicher. Plattencovers von David Bowie, die von Schiele beeinflusst waren, erregten ihr Interesse. Nun ist Tracey Emin glücklich, in Wien das Werk des Egon Schiele nicht nur hautnah studieren zu können, sondern quasi mit ihm zu kommunizieren. „Tracey Emin – Egon Schiele. Where I Want to Go“.
So heißt die Gegenüberstellung von Werken zweier Künstlerpersönlichkeiten, die einander gar nicht so unähnlich sind. In mehreren Räumen zeigt Tracey Emin Werke, die zum Teil noch nie öffentlich gezeigt wurden. Schon der Titel verweist darauf, dass sich die Künstlerin in die Zukunft vorarbeitet, doch bleibt die Vergangenheit im Werk lebendig. Emin geht offen mit ihrer Biografie um, etwa, dass sie als 13- Jährige Opfer einer Vergewaltigung wurde. Wenn nun ihre Akte den Akten von Egon Schiele gegenübergestellt werden, fällt auf, dass ihre Porträts kein Gesicht haben. Während die Selbstporträts von Schiele oft in unnatürlicher Verrenkung erscheinen, sitzt Tracey Emin lieber auf einem Stuhl. Schiele erforschte die Wirkung des Körpers, Emin entäußert sich, zeigt Verletzungen, Unsicherheiten, eher Andeutungen mit vagem Strich als präzise Abbildungen des weiblichen Körpers. Auch ein Video ist zu sehen, „Dieje- nigen, die Liebe erleiden“. Aus rund 300 Monotypien setzt sich der Animationsfilm einer masturbierenden Frau zusammen.
Besonders beeindruckend sind großformatige figurative Stickarbeiten, die auf den ersten Blick wie kolossale Tuscharbeiten wirken. Im Gegensatz zu den Großformaten gibt es eine größere Anzahl von kleinen Gouachen, die fast flüchtig wirken in der Strichführung, mit Titeln von „Wie ich saß“über „Wollte mich gut fühlen“bis „Weinen“. Auch wenn man das Schaffen von Egon Schiele gut kennt, überrascht immer wieder die Wirkung seiner Kunst, und da kommt es nicht auf das Format an. Da gibt es etwa einen Raum, in den Tracey Emin eine Achterbahn gebaut hat, „So möchte ich nicht sterben“, nach ihren Auskünften inspiriert von einem Albtraum, da ihr die Achterbahn aus Margate, wo sie aufwuchs, extrem hoch vorkam. „Als ich damit fuhr, blieb sie oben stecken. Mein einziger Ausweg war, einen riesigen Penis hinunterzuklettern.“Und neben der raumfüllenden Installation hängt ein kleiner Schiele. „Berg am Fluss“, einfach und doch faszinierend.
Vom Innenleben einer Künstlerin erzählt eine simple Leuchtschrift in einem abgedunkelten Raum. „More Solitude“steht da an der Wand. „Ich denke, dass man als Künstler mehr Einsamkeit braucht, um Kunst zu produzieren. Je älter ich werde, desto mehr sehne ich mich nach Einsamkeit“, sagt sie dazu. Eine Reihe von skulpturalen Werken zeigt die Spannweite des Schaffens. Ein großer Bronzetorso erinnert an Alfred Hrdlicka, und die kleinen Skulpturen auf Blöcken mit Inschriften zeigen Frauenkörper in Verbindung mit einem Tier. „Ich mag Tiere“, ist die simple Erklärung. Nur kurz zur Biografie der heute als Professorin für Zeichnung an der Royal Academy lehrenden Künstlerin: Tracey Emin wurde 1963 in London als Tochter einer Britin und eines zypriotischen Türken geboren. Sie wuchs in einem familiengeführten Hotel auf, studierte von Modedesign über Philosophie bis Malerei mehrere Richtungen, ehe sie in internationalen Ausstellungen bekannt wurde und 2007 Großbritannien bei der Biennale in Venedig vertrat. Tracey Emin lebt und arbeitet heute in London.
Ausstellung.