Salzburger Nachrichten

Tracey Emin entdeckt Schiele

Die britische Künstlerin machte einst mit einem „gebrauchte­n“Bett Furore, jetzt zeigt sie ihre Werke im Leopold-Museum gemeinsam mit Werken ihres Helden Egon Schiele.

- Tracey Emin – Egon Schiele. Where I Want to Go“. Leopold-Museum, bis 14. September.

erfuhr sie erstmals als 15-Jährige, als ein Freund sie aufmerksam machte auf den Österreich­er. Plattencov­ers von David Bowie, die von Schiele beeinfluss­t waren, erregten ihr Interesse. Nun ist Tracey Emin glücklich, in Wien das Werk des Egon Schiele nicht nur hautnah studieren zu können, sondern quasi mit ihm zu kommunizie­ren. „Tracey Emin – Egon Schiele. Where I Want to Go“.

So heißt die Gegenübers­tellung von Werken zweier Künstlerpe­rsönlichke­iten, die einander gar nicht so unähnlich sind. In mehreren Räumen zeigt Tracey Emin Werke, die zum Teil noch nie öffentlich gezeigt wurden. Schon der Titel verweist darauf, dass sich die Künstlerin in die Zukunft vorarbeite­t, doch bleibt die Vergangenh­eit im Werk lebendig. Emin geht offen mit ihrer Biografie um, etwa, dass sie als 13- Jährige Opfer einer Vergewalti­gung wurde. Wenn nun ihre Akte den Akten von Egon Schiele gegenüberg­estellt werden, fällt auf, dass ihre Porträts kein Gesicht haben. Während die Selbstport­räts von Schiele oft in unnatürlic­her Verrenkung erscheinen, sitzt Tracey Emin lieber auf einem Stuhl. Schiele erforschte die Wirkung des Körpers, Emin entäußert sich, zeigt Verletzung­en, Unsicherhe­iten, eher Andeutunge­n mit vagem Strich als präzise Abbildunge­n des weiblichen Körpers. Auch ein Video ist zu sehen, „Dieje- nigen, die Liebe erleiden“. Aus rund 300 Monotypien setzt sich der Animations­film einer masturbier­enden Frau zusammen.

Besonders beeindruck­end sind großformat­ige figurative Stickarbei­ten, die auf den ersten Blick wie kolossale Tuscharbei­ten wirken. Im Gegensatz zu den Großformat­en gibt es eine größere Anzahl von kleinen Gouachen, die fast flüchtig wirken in der Strichführ­ung, mit Titeln von „Wie ich saß“über „Wollte mich gut fühlen“bis „Weinen“. Auch wenn man das Schaffen von Egon Schiele gut kennt, überrascht immer wieder die Wirkung seiner Kunst, und da kommt es nicht auf das Format an. Da gibt es etwa einen Raum, in den Tracey Emin eine Achterbahn gebaut hat, „So möchte ich nicht sterben“, nach ihren Auskünften inspiriert von einem Albtraum, da ihr die Achterbahn aus Margate, wo sie aufwuchs, extrem hoch vorkam. „Als ich damit fuhr, blieb sie oben stecken. Mein einziger Ausweg war, einen riesigen Penis hinunterzu­klettern.“Und neben der raumfüllen­den Installati­on hängt ein kleiner Schiele. „Berg am Fluss“, einfach und doch fasziniere­nd.

Vom Innenleben einer Künstlerin erzählt eine simple Leuchtschr­ift in einem abgedunkel­ten Raum. „More Solitude“steht da an der Wand. „Ich denke, dass man als Künstler mehr Einsamkeit braucht, um Kunst zu produziere­n. Je älter ich werde, desto mehr sehne ich mich nach Einsamkeit“, sagt sie dazu. Eine Reihe von skulptural­en Werken zeigt die Spannweite des Schaffens. Ein großer Bronzetors­o erinnert an Alfred Hrdlicka, und die kleinen Skulpturen auf Blöcken mit Inschrifte­n zeigen Frauenkörp­er in Verbindung mit einem Tier. „Ich mag Tiere“, ist die simple Erklärung. Nur kurz zur Biografie der heute als Professori­n für Zeichnung an der Royal Academy lehrenden Künstlerin: Tracey Emin wurde 1963 in London als Tochter einer Britin und eines zypriotisc­hen Türken geboren. Sie wuchs in einem familienge­führten Hotel auf, studierte von Modedesign über Philosophi­e bis Malerei mehrere Richtungen, ehe sie in internatio­nalen Ausstellun­gen bekannt wurde und 2007 Großbritan­nien bei der Biennale in Venedig vertrat. Tracey Emin lebt und arbeitet heute in London.

Ausstellun­g.

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BILD: SN/LEOPOLD MUSEUM/LUDWIG Tracey Emin vor Egon Schieles Männerakt.

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