Die Ringstraße, der Boulevard von Wien
Geschichte und Geschichten eines der berühmten Markenzeichen der österreichischen Metropole.
WIEN. Es gibt kaum einen Ort auf der Welt, der so viele Kunstschätze auf so kleinem Raum versammelt wie die Ringstraße. Die pompösen Kulturpaläste der österreichischen Hauptstadt sind hier aufgefädelt wie Perlen an einer Kette. Allerdings hat die Ringstraße schon zu ihrer Entstehungszeit nicht nur Zustimmung gefunden. Der Schriftsteller Robert Musil zum Beispiel kritisierte die großen Ringstraßenbauten als „Theaterdekorationen einer gehaltlosen Zeit“. Auch Egon Friedell fand kritische Worte.
Heute hat der Ring ebenfalls nicht nur Fans. Die Ringstraße, behaupten böse Zungen, sei eine große städteplanerische Show, ein Disneyland der historistischen Architektur: schön anzuschauen, aber in gewisser Weise eben: Bluff.
Dennoch startet der ORF morgen, Samstag, in Radio Ö1 einen Schwerpunkt zum Thema „150 Jahre Straße der Macht – Macht der Straße“. 29 Sendungen und Sendereihen greifen das Thema auf, außerdem findet am kommenden Sonntag an drei Stationen entlang der Ringstraße ein Ö1-Klangteppich statt, auf dem das Publikum Musik und Tänze wie Polka und Quadrille aus der Zeit der Gründung kennenlernen kann. Das Wienerlied mit einem Zitherquartett soll ebenso vertreten sein wie Klavierstücke.
Auf der Strecke zwischen dem Café Landtmann, das bis zum Jahr 1938 Berta Zuckerkandls legendären literarischen Salon beheimatete, und dem Burgtheater treten Schauspielerinnen wie Petra Morzé und Michou Friesz auf, es gibt Texte von Hermann Bahr, Adolf Loos und dem jüngst verstor- benen Frederic Morton zu hören.
Den Auftakt im Radio macht morgen, Samstag, „Feuerfest und Donauwalzer. Eine Lange Nacht im Alten Wien“, ab 17.05 Uhr, ein dreistündiger Streifzug durch die Biedermeierzeit. Es geht um das Wien vor dem Bau der Ringstraße, als das Leben noch innerhalb der Stadtmauern ablief. Das „Radiokolleg“setzt sich kommenden Montag ab 9.05 Uhr mit der Ringstraße als „Bühne der Macht“auseinander. Ebenfalls Montag beschäftigen sich die „Tonspuren“ab 21.00 Uhr mit dem britischen Keramiker und Schriftsteller Edmund de Waal. In seinem Roman „Der Hase mit den Bernsteinaugen“schildert de Waal das Schicksal seiner aus Odessa stammenden jüdischen Familie Ephrussi, die an der Ringstraße das gleichnamige Palais errichten ließ.
Günter Kaindlstorfer, der schon für ORF III das dreiteilige Ringstraßenporträt „Trilogie eines Boulevards“gedreht hat, gestaltete ein „Salzburger Nachtstudio“über den „europäischen Kontext der Ringstraße und den Historismus, der lange Zeit ein ganz schlechtes Image hatte. Kaindlstorfer schildert den SN, wie sich der Blick diesbezüglich gewandelt hat. „Das versuche ich in diesem ,Nachtstudio‘ herauszuarbeiten“.
Matthias Boeckl, Professor an der Universität für Angewandte Kunst, sagt: „Wir müssen uns davor hüten, diese Ära mit den Kriterien der Moderne zu beurteilen. Der Historismus war eine sehr fortschrittliche Strömung, weil er in einer sehr turbulenten Zeit ein Interface geschaffen hat. Dass die Moderne später sagt, wir brauchen das alles nicht, ist klar. Aber es ist eine Beurteilung, die aus der Zeit selbst nicht nachvollziehbar ist.“ Das Fernsehen ORF 2 sendet am 1. Mai ab 9.05 Uhr eine Dokumentation von Felix Breisach, „Meine Ringstraße“.
Internet: http://oe1.orf.at/ring Schon heute, Freitag, sendet Servus TV ab 21.20 Uhr die Reportage „Boulevard der Träume – Die Ringstraße“.