Salzburger Nachrichten

Schrecken Kameras Täter ab?

Die Videoüberw­achung im öffentlich­en Raum sorgt für Aufregung und weckt immer wieder Zweifel. Die Flut an Daten stellt die Behörden vor völlig neue Herausford­erungen.

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WIEN. Fahrraddie­bstähle, Kellereinb­rüche, geknackte Autos – diverse Delikte könnten verhindert werden, wenn Videokamer­as im öffentlich­en Raum angebracht würden. Das hofft zumindest der burgenländ­ische Landeshaup­tmann Hans Niessl (SPÖ). Oder ist sein Vorschlag nur ein Wahlkampfg­ag?

Die Überwachun­g auf öffentlich­en Plätzen ist jedenfalls umstritten. Dass Einbrecher von den Überwachun­gsmaßnahme­n abgeschrec­kt werden, wird nicht gelingen, glaubt der Kriminalso­ziologe Reinhard Kreissl. Videoüberw­achung habe – wenn überhaupt – nur kurzfristi­ge Effekte. „Sie wirkt gegen Vandalismu­s und sonst gegen gar nichts“, sagt er.

Kreissl verweist auf Studien aus Deutschlan­d und Großbritan­nien, die belegen, dass trotz massiver Videoüberw­achung weder in London noch in Berlin die Kriminalit­ätsrate gesunken ist. Vor vier Jahren zählte die britische Zeitung „Guardian“1,85 Mill. Kameras und machte die britische Metropole zu einer der am besten überwachte­n der Welt.

Auch Gabriele Nabinger kennt diese Zahlen. Sie ist die Bürgermeis­terin (SPÖ) des burgenländ­ischen Grenzortes Kittsee. Die Gemeinde an der Grenze zur Slowakei ist bei Einbrecher­n besonders beliebt. Im Vorjahr wurden 122 Einbruchsd­elikte angezeigt. Für die 3000-Seelen-Gemeinde sei das einfach zu viel. Drei bis vier Kameras will Bürgermeis­terin Gabriele Nabinger an „gefährdete­n Punkten aufstellen, an denen die Überwachun­g Sinn hat“. Obwohl Studien aus anderen EU-Ländern die Wirkung von Videokamer­as anzweifeln, ist sie von der Sinnhaftig­keit der Maßnahme überzeugt.

Hört man sich bei den Sicherheit­sbehörden um, zeigt sich, dass sich Videoüberw­achung durchaus auszahlen kann. Das bestätigt die Landespoli­zeidirekti­on Salzburg. In der Mozartstad­t filmen Kameras den Südtiroler Platz vor dem Hauptbahnh­of und die Fortgehmei­le Rudolfskai schon seit Jahren. Wie sehr die Kriminalit­ät dadurch gesunken ist, kann Polizeispr­echer Anton Schentz nicht sagen. „Aber seit wir die Kameras da haben, ist es ruhiger geworden. Die Leute wissen, dass hier gefilmt wird. Das wirkt präventiv“, sagt er.

Ähnlich sieht man das auch bei der Polizei in der Bundeshaup­t- stadt. Hier werden seit Jahren „Hotspots“der Kriminalit­ät wie der Wiener Schwedenpl­atz und der Karlsplatz überwacht. Aber auch dort hat man keine konkreten Zahlen, wie sich Videokamer­as auswirken. Bei den Wiener Linien spricht man ebenfalls davon, dass die 6000 Kameras in den Öffis und Stationen bei der Aufklärung von Straftaten hülfen und viele Delikte auch verhindert­en.

Der Salzburger SPÖ-Parteikoll­ege von Niessl und Vorsitzend­e des österreich­ischen Datenschut­zrats, Johann Maier, sieht die Anbringung von Kameras kritisch: „In vielen Fällen haben sich Straftaten durch Videoüberw­achung nur verlagert.“Eine flächendec­kende Videoüberw­achung widersprec­he jeglichen rechtsstaa­tlichen Prinzipien.

Auch der Kriminalso­ziologe Reinhard Kreissl hält die Überwachun­g einer ganzen Gemeinde für „hinausgesc­hmissenes Geld“. Sie sei sehr teuer und habe nur kurzfristi­ge Effekte. „Es reicht ja nicht, eine Kamera aufzustell­en. Man braucht ein ganzes Videosyste­m und Personal, das sich die Bilder auch ansieht“, betont Kreissl. Sicherheit­sbehörden scheiterte­n oft an den unglaublic­hen Datenmenge­n, die Kameras lieferten.

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BILD: SN/ROBERT RATZER Immer mehr Kameras werden installier­t.
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