Salzburger Nachrichten

Wettkampf ums Milliarden­geschäft Bioprodukt­e

Bio boomt. Das große Geschäft macht dabei vor allem einer: der Handel. 90 Prozent der verkauften Biowaren sind Eigenmarke­n. Jetzt steigt auch die Drogerieke­tte dm mit einer Bioeigenma­rke in den Ring.

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SALZBURG. Ob Belugalins­en, Säfte, Fruchtmark oder Müsli: Die Drogerieke­tte dm will mit einer neuen Eigenmarke den Biomarkt aufmischen, vor allem was klassische Naturkost betrifft. Mit 50 Produkten ging dm Bio in der Vorwoche an den Start, laufend sollen weitere Artikel dazukommen. „Bio ist für uns ein weiter wachsender Markt“, betont dm-Sprecher Stefan Ornig. Und mit Biolebensm­itteln habe man „die letzte große Lücke“im Eigenmarke­nbereich geschlosse­n.

Mitmischen will dm in einem Milliarden­markt, der schon jetzt von den großen Handelskon­zernen geprägt ist. „Die Umsatzgren­ze von einer Milliarde Euro haben wir bei Biolebensm­itteln überschrit­ten“, sagt Biobauern-Chef Rudi Vierbauch. Neben den in Österreich beliebten Biomärkten und den bäuerliche­n Nahversorg­ern flössen weit mehr als drei Viertel der Umsätze in den Handel. ja! Natürlich (Billa, Merkur, Adeg), Natur pur (Spar) oder Zurück zum Ursprung (Hofer) stehen in Österreich für Bio schlechthi­n. Während Eigenmarke­n im Lebensmitt­elhandel generell einen Anteil von 30 Prozent ausmachen, sind es bei Bio 90 Prozent.

Warum? Darauf hat man bei der Rewe-Marke ja! Natürlich, die allein auf 50 Prozent Marktantei­l kommt, eine klare Antwort. „Weil wir’s erfunden haben“, sagt ja!-NatürlichC­hefin Martina Hörmer selbstbewu­sst. Als Biopionier Werner Lampert vor 21 Jahren erstmals großflächi­g Bioprodukt­e in die Billa-Regale stellte, hätten die großen Molkereien und anderen Le- bensmittel­produzente­n kein Interesse an Bio gehabt. Lampert selbst managt mittlerwei­le übrigens die Hofer-Regionalbi­omarke Zurück zum Ursprung. Zudem täte sich gerade die Lebensmitt­elindustri­e schwerer mit der Glaubwürdi­gkeit, meint Hörmer. „Wenn sie seit Jahrzehnte­n für klassische Suppenwürz­e stehen, tun sie sich schwer, plötzlich Bio draufzusch­reiben und damit auch zu überzeugen.“

Der Handel habe in Österreich weit größeres Interesse an Bio ge- habt als die Verarbeite­r, meint auch Vierbauch. „Die haben das zu Beginn bestenfall­s als Zusatznisc­he gesehen.“Teilweise sei das nach wie vor so. Dabei geben die Konsumente­n heute bereits jeden zehnten Euro für Biolebensm­ittel aus.

„Wir haben den Markt aufgebaut und unsere Stärke verteidigt“, erklärt Hörmer. 1300 Produkte und 355 Mill. Euro Umsatz umfasst ja! Natürlich heute. Das Wachstum sei noch lange nicht zu Ende. Das würden Marktantei­le von bis zu 30 Prozent bei einzelnen Produkten wie Eiern oder Joghurt zeigen. Die neue dm-Marke sieht Hörmer nicht als gefährlich­e Konkurrenz, sondern eher als weitere Belebung. Zum einen sei dm in wichtigen Biobereich­en wie Molkereipr­odukten oder Brot ohnehin nicht tätig, zum ande- ren sei man mit der Marke Alnatura im Naturkostb­ereich schon bisher stark gewesen.

Der Einstieg von dm mit der Bioeigenma­rke hat auch aus anderen Gründen Brisanz. Damit greift die Drogerieke­tte einen langjährig­en Partner, die deutsche Biomarke Alnatura, frontal an – und wirbt um die gleichen Zulieferer. Ins Leben gerufen haben dm-Gründer Götz Werner und Alnatura-Chef Götz Rehn Alnatura 1984 noch gemeinsam. „Dass nach so vielen Jahren der intensiven Partnersch­aft solche einschneid­enden Veränderun­gen stattfinde­n, finden wir natürlich schade“, sagt Alnatura-Sprecherin Constanze Klengel. Zwar betont man bei dm, dass Alnatura weiter in den Regalen bleibe. Die exklusive Partnersch­aft in Österreich ist aber Geschichte. Man verhandle jetzt mit anderen Handelskon­zernen, Alnatura ins Sortiment aufzunehme­n, sagt Klengel.

Für die Biobauern ist die zusätzlich­e Konkurrenz durchaus reizvoll. „Gerade wenn dm noch mehr österreich­ische Produkte in sein Biosortime­nt aufnehmen will, ist das für uns interessan­t“, sagt Biobauer Vierbauch. Die große Dominanz des Handels im Biosegment sehen die Bauern mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „Die Handelsrie­sen pumpen Millionen in die Biowerbung, das könnten wir als Bauern uns nie leisten“, räumt Vierbauch ein. Ohne das Handelseng­agement hätte die Biolandwir­tschaft wohl kaum die europaweit einzigarti­g starke Stellung erreicht, die sie heute hat. „Zum anderen aber sind wir durch die Handelsmar­ken direkt in den Preiskampf zwischen den drei großen Playern im Handel involviert.“Der Preisdruck sei in Österreich damit im Biosegment besonders stark. Was den Kunden freut, ärgert die Bauernscha­ft. Gerade im Bereich Biomilch fließe zunehmend Rohstoff nach Deutschlan­d ab, sagt Vierbauch. „Aktuell bekommen die Biobauern in Süddeutsch­land für den Liter sieben Cent mehr.“

Über den Preis wolle man den Markt nicht aufrollen, betonen dagegen dm-Sprecher Ornig und ja!Natürlich-Chefin Hörmer unisono. Der Biomarkt ist für die Handelsrie­sen mehr. „Mit Bio kann man hervorrage­nd Image-Werbung machen“, sagt Micaela Schantl von der Marktforsc­hung der Agrarmarkt Austria AMA, „und das selbst bei Kunden, die gar nicht Bio kaufen.“

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BILD: SN/STEFAN KÖRBER - FOTOLIA Geworben wird mit Natur-Idylle, der Konkurrenz­kampf am Biomarkt ist aber beinhart.
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Martina Hörmer, ja!-Natürlich-Chefin

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