Salzburger Nachrichten

Das Jahr der Attentate

Ronald Reagan, Johannes Paul II., Anwar Sadat: Diese Anschläge sorgten für weltweites Entsetzen. Die blutige Spur des Terrors machte aber auch vor Österreich nicht halt.

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WIEN. Als ob die Ermordung John Lennons Ende 1980 in New York einen Schatten vorausgewo­rfen hätte: Mit 1981 brach ein Jahr der Attentate an, die weltweit für Entsetzen sorgten. Die prominente­sten Opfer: Im März war US-Präsident Ronald Reagan das Ziel, im Mai Papst Johannes Paul II., im Oktober starb Ägyptens Anwar Sadat im Kugelhagel.

Ungemeines Glück hatte Reagan. Keiner der sechs Schüsse, die der 25-jährige John Warnock Hinkley am 30. März vor dem Hilton in Washington abgegeben hatte, trafen den US-Präsidente­n direkt. Aber ein abgeprallt­es Projektil landete nur knapp neben dem Herzen in seiner Lunge. Reagan wurde sofort operiert. 18 Stunden nach dem Attentat amtierte der mächtigste Mann der Welt wieder. Und mit SN-Korrespond­ent Paul Lindenberg gingen die Gefühle durch: „Unglaublic­h, dieser Präsident, dieser 70-Jährige, dieser ehemalige Cowboy aus der Flimmerwel­t Hollywoods.“

Viel schlimmer verlief das Attentat auf Johannes Paul II. am 13. Mai auf dem Petersplat­z in Rom. Drei Schüsse hatte der türkische Rechtsextr­emist Mehmet Ali Ağca wäh- rend der Generalaud­ienz auf den damals 60Jährigen abgefeuert und ihn lebensgefä­hrlich verletzt. Am 15. Mai berichtete­n die SN auf der Titelseite, die erste Reaktion des Papstes nach der vielstündi­gen Notoperati­on habe seinem Attentäter gegolten: „Armer Mann, armer Junge“, habe er gesagt. Und: „Ich habe nicht aufgehört, alle Menschen zu lieben, ich vergebe ihm.“Kardinal Franz Kö- nig, der sich damals in Rom aufhielt, erklärte: „Wir können nur hoffen, dass dieses furchtbare Geschehen zur notwendige­n Besinnung auf die innere Erneuerung des Menschen führt.“Er hat sich leider geirrt. Wie sehr, zeigte sich spätestens am 6. Oktober in Kairo.

Da überlebte Ägyptens Präsident Anwar Sadat ein Attentat während einer Siegespara­de der Armee nicht. Gefeuert hatten vier Soldaten, alle Mitglieder der islamistis­chen Organisati­on Al-Dschihad. Hintergrun­d des Anschlags: der zwei Jahre zuvor von Sadat mit Israel abgeschlos­sene Friedensve­rtrag. Auf Sadat folgte Hosni Mubarak. Fast 30 Jahre hielt er sich an der Macht – bis er 2011 nach dem Tod von Hunderten Demonstran­ten während des „arabischen Frühlings“abtrat.

Die blutige Spur des Terrors verschonte 1981 auch Österreich und Deutschlan­d nicht: In Wien wurde Heinz Nittel, SPÖ-Stadtrat und Präsident der Österreich­isch-Israelisch­en Gesellscha­ft, am 1. Mai vor seiner Villa in Hietzing mit drei Schüssen ermordet. In Frankfurt wurde der hessische Wirtschaft­sminister Heinz-Herbert Karry in der Nacht auf 11. Mai in seinem Bett mit sechs Schüssen getötet. Bis heute ist nicht geklärt, wer den FDP-Politiker umgebracht hat, auch wenn ein Täterschre­iben der „Revolution­ären Zellen“auftauchte. Nittels Mörder sind bekannt: Es handelte sich um zwei Mitglieder der palästinen­sischen Terrororga­nisation Abu Nidal. Beide jungen Männer wurden gefasst, der Schütze Hussham Raji direkt nach dem Terroransc­hlag auf die Synagoge in Wien am 29. August 1981 mit zwei Toten und 21 Verletzten, der Auftraggeb­er des Mordes an Nittel, Bahij Younis, in Salzburg, wo er als Student lebte. Younis wurde 1995 vorzeitig aus der Haft entlassen, Raji nach Belgien ausgeliefe­rt. Auch er ist längst frei.

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BILD: SN/ULLSTEIN - BILD + NEWS / ULLSTEI 13. Mai 1981: Papst Johannes Paul II. bricht lebensgefä­hrlich getroffen zusammen.

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