125 Jahre Zellulose: Halleins ganzer Stolz feiert
Das Schicksal der Industriestadt hängt an der Zellstofffabrik. Mit neuen Produkten will die Firma an die erfolgreichsten Zeiten anschließen.
„Die Zellosler“werden im Halleiner Volksmund die Mitarbeiter der Zellstofffabrik genannt. Noch vor elf Jahren waren es mehr als 800, vor 22 Jahren 1100. Heute beschäftigt die Zellulose 240 Menschen. An diesem Wochenende feiert das Unternehmen Schweighofer Fiber, das seit 2011 Eigentümer ist, „125 Jahre Cellulose Hallein“.
Es ist eine Geschichte der Erfolge, des Fortschritts und der Katastrophen mit wechselnden in-
gründeten der englische Industrielle Edward Partington und der österreichische Chemiker Carl Kellner ihr gemeinsames Unternehmen in Hallein. Die Salinenstadt hatte drei große Vorteile zu bieten: den auf der Salzach herangeschafften Rohstoff Fichtenholz, den Fluss als Kraftquelle und Wasserspender und die Sole für die Bleicherei (durch Elektrolyse).
es immer wieder Probleme und Verzögerungen. Im Mai 1893 nahm die „Cellulose“den Betrieb auf. 1897 wurde beschlossen, auch eine Papierfabrik zu bauen ternationalen Eigentümern. Der Halleiner Historiker Wolfgang Wintersteller hat sie, unterstützt von Projektmanager und Betriebsrat Walter Kogler, in einer Sonderausstellung aufgearbeitet. Die Schau ist am Samstag von 10 bis 16 Uhr am Tag der offenen Tür zu sehen. Heute, Freitagvormittag, findet ein Festakt statt.
Der pensionierte Lehrer Wintersteller erforscht die Wirkung der Fabrik auf die Stadtgeschichte. Der 70-Jährige ist selbst der Sohn eines „Zelloslers“. Sein 93-jähriger Vater Josef war Oberwerkführer und sein Großvater mütterlicherseits hat als Kutscher den legendären, aus England stammenden Generaldirektor Henry Davis gefahren. Die 1890 gegründete „The KellnerPartington Paper Pulp Co. Ltd.“war ein österreichisch-englisches Unternehmen.
Die Fabrik machte Hallein zur boomenden Industriestadt, zog Facharbeiter an, die relativ gut verdienten und die Wirtschaft belebten. Das Ansehen der Firma wuchs über die Jahre. „In der Bevölkerung war die Zellulose schon bald sehr gut angeschrieben. Es war geradezu ein Privileg, dort unterzukommen“, erzählt Wintersteller. Der Hauptgrund für das gute Image: „Die Firmenleitung war von Anfang an um die Belegschaft bemüht. Es gab beispielsweise ein Wohnbauprogramm, Sozialaktionen, Kinder- beihilfe, günstige Darlehen, Firmenurlaub, die Mitfinanzierung eines Altersheims und ein Sportheim.“Große Rückschläge erlitt die Stadt im Ersten Weltkrieg, in der Weltwirtschaftskrise und im Nationalsozialismus. In beiden Kriegen hatten die Eigentümer die „falsche“Nationalität. Beim ersten Mal waren es Briten, beim zweiten Mal Norweger. Als Unternehmen der „Feinde“wurde es beide Mal unter staatliche Verwaltung gestellt und in die Rüstungsindustrie gezwungen. Es produzierte „Spinnpapier“für Uniformen und dann Treibstoff für Fahrzeuge.
In der Weltwirtschaftskrise musste sich ein Drittel der Halleiner Bevölkerung am Existenzminimum durchschlagen. Der Stadthistoriker erklärt, was es für einen Arbeiter bedeutete, arbeitslos zu werden. „Der Zellosler verdiente 31 Schilling pro Woche. Zum Vergleich: Die Monatsmiete in einer Wohnung am Griesrechen kostete 60 Schilling. Die Arbeitslosenunterstützung betrug in der Woche 7,70 und die Notstandshilfe 6,10 Schilling, und nach gut eineinhalb Jahren bekam der Arbeiter gar nichts mehr, er war ausgesteuert.“
Nach dem Krieg ging es nicht zuletzt dank des amerikanischen Marshallplans wieder aufwärts. Das Wirtschaftswunder erreichte in den Siebzigern seinen Höhepunkt. „Gestrichene Papiere“ hieß der Hit. Dieses Produkt hatte keine kleinen Lücken an der Oberfläche, war dank eines Bindemittels absolut glatt und damit für Farbdruck (Bildbände, Broschüren usw.) sehr gut geeignet.
Der Großbrand 1977, die arge Verschmutzung der Luft und der Salzach in den 80ern und die Insolvenz 1993 waren Tiefpunkte. Dank enormer Umweltinvestitionen wurde die Salzach grün.
Heute setzt das Unternehmen mit Eigentümer Gerald Schweighofer und Geschäftsführer Jörg Harbring auf Viskosezellstoff (150.000 Tonnen im Vorjahr) für die Textilindustrie besonders in China sowie auf Bioenergie und Fernwärme. Außerdem wird ein Teil der Kochlauge so verändert, dass sie in der Betonindustrie oder in Futter- und Düngemitteln eingesetzt werden kann.