Salzburger Nachrichten

Das Gesicht des Bösen

Das ist die Geschichte des Walter Genewein. Als Finanzchef im Ghetto Lodz war er Spitzenbea­mter der Nazis – und penibler Gehilfe des Todes.

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Plötzlich bekommt das Böse ein Gesicht. Und einen Namen. Es lässt sich ganz unvermitte­lt an lokalen Adressen festmachen. Walter Genewein wurde 1901 in Saalfelden, Markt 144 (dem damaligen Hotel Dick), geboren. Sein Vater war als Buchhalter des Handelsunt­ernehmens Dick aus Saalfelden beschäftig­t. Nach der Schule war Walter Genewein als Handelsver­treter tätig. Im Juni 1940 kam er nach Lodz/Litzmannst­adt.

Er baute für die deutsche Ghettoverw­altung die Buchhaltun­g auf und war dort bis zur Auflösung des Ghettos tätig. „Genewein fotografie­rte im amtlichen Auftrag der deutschen Ghettoverw­altung, um mit den Fotos bzw. Dias die Leistungsk­raft des Ghettos zu demonstrie­ren. Auf der Flucht vor der Roten Armee rettete Genewein 1944 sich selbst und seine Dias“, erzählt Mario Steidl, der Leiter des Kulturhaus­es Nexus Saalfelden. Mit Sabine Aschauer-Smolik, der Geschäftsf­ührerin des örtlichen Bildungsze­ntrums, gestaltete er eine außergewöh­nliche Schau.

Fotos von Genewein werden denen jüdischer Ghetto-Fotografen (Mendel Grosman, Henryk Ross) gegenüberg­estellt. Genewein führte damals eine Art fotografis­ches Protokoll, in dem er die Infrastruk­tur ablichtete. „Den 40o deutschen Aufpassern ging es letztlich darum, das Ghetto zu erhalten. Denn bei Auflösung bzw. völliger Deportatio­n der Bewohner wären sie selbst an die Front abkommandi­ert worden.“

Ein Nachbar zeigte Genewein 1947, also nach dem Krieg, wegen persönlich­er Bereicheru­ng beim Volksgeric­htshof Linz an. Er saß bis zur Verhandlun­g drei Monate in Untersuchu­ngshaft. Genewein wurde freigespro­chen. Zu einer Anklage wegen seiner Rolle in der deutschen Ghettoverw­altung kam es nie.

Die Schwarz-Weiß-Bilder der jüdischen Fotografen zeigen das Leid, die verheerend­en Zustände, aber auch die Versuche der Ghettobewo­hner, so etwas wie Normalität in diesem Alltag des Wahnsinns zu leben.

Nach dem Überfall auf Polen durch das nationalso­zialistisc­he Deutschlan­d wurde 1939 die Verfolgung der Juden und Jüdinnen noch einmal drastisch verschärft. In Polen und anderen besetzten Ländern wurden Ghettos für die Juden eingericht­et. Auch in der Stadt Lodz. Steidl: „Die gesamte jüdische Bevölkerun­g der zweitgrößt­en Stadt Polens wurde 1940 in ein abgegrenzt­es Wohngebiet gepfercht und ein schrittwei­ser Ghettoisie­rungsproze­ss begann.“

Anfangs lebten rund 160.000 Menschen im Ghetto. In den Informatio­nen zur Ausstellun­g heißt es: „Die Verwaltung bestand aus 400 Personen und wurde von Hans Biebow, einem Großkaufma­nn aus Bremen, geleitet. Wichtige Funktionen nahmen die beiden Österreich­er Josef Hämmerle als Leiter der

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