Bei Haftungen kennen die Länder keine Grenzen
Ende 2012 hafteten Länder und die Stadt Wien für 70,4 Mrd. Euro. Die selbst festgelegte Obergrenze war nicht einmal halb so hoch.
Im Jahr 2012 verpflichteten sich Bund, Länder und Gemeinden im Zuge des Stabilitätspakts erstmals zu Obergrenzen für die von ihnen übernommenen Haftungen. Was auf Papier festgehalten wurde, erwies sich in der Praxis laut einem Bericht des Rechnungshofs freilich als Makulatur. Die Kontrollore nahmen die Haftungsobergrenzen von Ländern und Gemeinden genau unter die Lupe. Die Ergebnisse geben zu höchster Besorgnis Anlass. Es fehlt nicht nur eine gesamtstaatliche Obergrenze für Haftungen der öffentlichen Hand, vielmehr gab es 17 verschiedene in Ländern und Gemeinden.
Da die sich in Höhe, Methoden und im Geltungsumfang unterschieden, „war eine Vergleichbarkeit der Länder nicht gegeben“, heißt es in dem am Dienstag vorgelegten Bericht. Da die Länder – salopp gesagt – machten, was sie wollten, sei auch die Intention, „einen Beitrag zum gesamtstaatlichen Gleichgewicht und zu nachhaltig gesicherten Haushalten zu leisten, nicht verwirklicht worden“. Durch die Unterschiede fehle den Haftungsobergrenzen „jegliche Aussagekraft für die gesamtstaatliche Steuerung“, so lautet das vernichtende Urteil des Rechnungshofs.
Zudem wurde der Begriff Grenze sinnentleert, weil die von Ländern und der Stadt Wien übernommenen Haftungen in Höhe von 70,4 Mrd. Euro die zusammengefasste Obergrenze von 30,6 Mrd. Euro um mehr als das Doppelte überstiegen.
Selbst die von den Gebietskörperschaften ausgewiesenen Zahlen zeigen laut Rechnungshof nicht das tatsächliche Bild. Vor allem deshalb, weil die Länder, um die Obergrenzen einzuhalten – besser gesagt, um diese weniger stark zu überschreiten –, Haftungen beispielsweise für Banken nur teilweise oder gar nicht einbeziehen, wie das im Burgenland, in der Steiermark, in Kärnten, in Vorarlberg und Wien der Fall war.
Von allen durch die Länder für Banken ausgesprochenen Haftungen von 49,4 Mrd. Euro wurden damit mehr als 30 Mrd. Euro gar nicht in die Obergrenzen einbezogen. Ausnahmen waren Tirol und Oberösterreich, die die Haftungen für Banken zum Nominale einrechne- ten. Damit seien die auf die Haftungsobergrenzen angerechneten Beträge „nicht repräsentativ für den Gesamthaftungsstand“gewesen.
Dass der Stabilitätspakt es seinerzeit den Ländern und Gemeinden überließ, die Ermittlungsmethode für die Haftungsobergrenzen zu wählen, führt der Rechnungshof als einen der vielen zu behebenden Geburtsfehler an. Wörtlich heißt es im Bericht: „Die unterschiedlichen Vorgangsweisen führten zu einer Intransparenz, die den gesamtstaatlichen Nutzen der Regelung zur Haftungsbegrenzung infrage stellte.“Bei einer Vereinheitlichung der Standards sollten sich die Länder und die Stadt Wien an den Regelungen in Oberösterreich und Tirol orientieren. Laut Rechnungshof werden die „Risiken für die öffentlichen Haushalte nur unzureichend abgebildet“, wenn nicht sämtliche Haftungen einbezogen würden.
Zudem bleibt die ganze Übung, auf die man sich 2012 einigte, ohne Konsequenz, denn bei Überschreiten der Obergrenzen passiert genau gar nichts. Oder wie es die Rechnungshofprüfer in ihren Empfehlungen formulieren: „Eine Regelung über die Vorgangsweise bei Überschreiten der Haftungsobergrenzen sollte getroffen werden.“
„Intransparenz stellt den gesamtstaatlichen Nutzen der Obergrenzen infrage.“