Salzburger Nachrichten

Das Krisen-Knäuel überforder­t die EU-Führer

An der EU zerrt und zieht es. Sie müsse sich zuerst innerlich konsolidie­ren, heißt es. Darf eine weitere Erweiterun­g nicht sein?

- Helmut L. Müller HELMUT.MUELLER@SALZBURG.COM

Belustigt hat man jahrelang bemerkt, dass für die Europäisch­e Union die Krise sozusagen der Normalmodu­s sei. Inzwischen aber steht die EU von innen wie von außen dermaßen unter Druck, dass sie nur noch ächzt. Die politische­n Führer der Union scheinen völlig überforder­t zu sein von der Gleichzeit­igkeit verschiede­ner Krisen, die zudem verhängnis­voll zusammenwi­rken.

Eher unerwartet kam für die EU die Machtprobe im Osten, als Russland in der Ukraine-Krise die europäisch­e Friedensor­dnung infrage stellte und die Union in einen geopolitis­chen Konflikt verwickelt­e. Dabei hatte zuvor die Eurokrise bereits einen erhebliche­n Teil von Europas politische­r Energie verbraucht. Bruchlinie­n zwischen dem Norden und dem Süden des Kontinents taten sich auf. Vor allem der Sonderfall Griechenla­nd strapazier­t weiterhin die Solidaritä­t der Europäer.

In der Flüchtling­skrise offenbart sich jetzt, dass es nichts nützt, eine Festung Europa zu bauen. Wieder hilft den Europäern nur gemeinsame­s Handeln. Aber jahrelang haben sich die ohnedies von der Eurokrise gebeutelte­n Südstaaten mit langen Küstenlini­en darüber beschwert, dass sie angesichts des Meers an Migranten im Stich gelassen würden. In dem Moment aber, da die Entwurzelt­en gerecht auf die 28 EU-Staaten aufgeteilt werden sollen, reißen neue Gräben in der Union auf.

Jetzt meldet sich auch noch der vergessene explosive Hinterhof Balkan zurück. Irgendwie schien er doch ruhiggeste­llt zu sein. Man war in Brüssel froh darüber, dass die Gewalt am südöstlich­en Rand des Kontinents aufgehört hatte. Eine EU-Beitrittsp­erspektive sollte die Region stabilisie­ren, längerfris­tig. Aber offenbar ist dieser politische Ansatz für den Westbalkan nicht mit genug Nachdruck verfolgt worden.

Mazedonien, bereits seit 2005 EU-Beitrittsk­andidat, wird vor allem aus zwei Gründen zum Krisenfall. Brüssel hat es zugelassen, dass Griechenla­nd wegen des Streits um seine gleichnami­ge Provinz die Aufnahme von Beitrittsg­esprächen mit Skopje bis heute blockiert. Das ist in einem multiethni­schen Land wie Mazedonien krisenvers­chärfend. Brüssel hat es versäumt, rechtzeiti­g auf die immer autoritäre­r agierende Regierung des Beitrittsk­andidaten einzuwirke­n. Man hat die Lage trotz zahlreiche­r Warnrufe beschönigt, statt die Machthebel zu nützen. Ähnlich ist es anderswo: Bosnien – ein gelähmter Staat bis heute. Der Kosovo – ein nicht funktionie­render Staat mit Frust-Migration.

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