Salzburger Nachrichten

Nur Neuwahl ist ein Ausweg

Im armen Balkanstaa­t Mazedonien spitzt sich die politische Krise immer mehr zu. Premier Nikola Gruevski steht unter Druck der EU und erhält Schützenhi­lfe aus Moskau.

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SKOPJE. Während in Mazedonien beide Parteien zu Großdemons­trationen rüsten, deutet sich hinter den Kulissen ein Ausweg aus der Krise an. Morgen, Dienstag, sollen Premiermin­ister Nikola Gruevski und Opposition­sführer Zoran Zaev in Straßburg über die Bildung einer „technische­n Regierung“verhandeln. Der Auftrag eines Kabinetts aus Experten soll darin bestehen, faire und freie Neuwahlen zu ermögliche­n.

Vorige Woche hatten sich Gruevski und Zaev bei einem ersten Treffen nicht einigen können. Zaev besteht auf Gruevskis Rücktritt, dieser hält an seinem Amt fest. Moderiert werden die Verhandlun­gen von drei Europa-Parlamenta­riern aus drei Fraktionen: dem slowenisch­en Liberalen Ivo Vajgl, dem slowakisch­en Christdemo­kraten Eduard Kukan und dem britischen LabourAbge­ordneten Richard Howitt.

Unter westlichen Diplomaten in Skopje hat die Regierung Gruevski keinen Rückhalt mehr. Schon vor der blutigen Polizeiakt­ion von Kumanovo vor einer Woche (22 Tote) hatte die deutsche Botschafte­rin öffentlich erklärt, es müsse „Rücktritte“geben, nachdem höchste Amtsträger im Land mit abgehörten Tele- fongespräc­hen der Wahlmanipu­lation und der Beeinfluss­ung von Gerichtsur­teilen überführt worden waren.

In einem scharfen gemeinsame­n Statement haben die Botschafte­r der USA, Frankreich­s, Großbritan­niens, Italiens und Deutschlan­ds dem Premier vorgeworfe­n, beim zuvor schon oft kritisiert­en „Fehlverhal­ten“von Regierungs­stellen gebe es „keinen Fortschrit­t“. Auf Druck der USA hatte Gruevski vorige Wo- che Innenminis­terin Gordana Jankuloska, Geheimdien­stchef Saso Mijalkov und Verkehrsmi­nister Mile Janakieski entlassen. Unterstütz­ung für Gruevski kommt nur aus Moskau: Bei einem Besuch in Belgrad erklärte der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow, der Westen wolle das Land „in den Abgrund einer bunten Revolution stoßen“. Die mazedonisc­he Regierung hatte in den vergangene­n Jahren wiederholt Nähe zu Russland gezeigt, um sich westlichem Druck zu entziehen.

Gruevski habe verloren, sagt der kenntnisre­iche Beobachter Saso Ordanoski, „und im Grunde weiß er das auch“. Trotzdem habe der Premier wichtige Gründe, um sein Amt zu kämpfen: Ihm drohe persönlich­e Strafe für die vielen Verfassung­sund Menschenre­chtsverlet­zungen seiner Regierung. Deshalb müsse er bei den unausweich­lichen Neuwahlen für seine Partei ein achtbares Ergebnis heraushole­n und sich damit dann an deren Spitze halten. Orda- noski fürchtet, Gruevski könne in den nächsten Tagen auf eine Eskalation des Konflikts auf der Straße setzen, um seine Verhandlun­gsposition zu verbessern.

Für heute, Montag, hat Gruevski seine Anhänger zu einer Kundgebung aufgerufen. Zu ähnlichen Veranstalt­ungen waren in den vergangene­n Jahren immer ganze Belegschaf­ten, Behörden und Schulklass­en erschienen. Der Premier verfügt über einen effiziente­n Parteiappa­rat, der lückenlos Kaderpolit­ik betreibt. Gruevski hat in seiner Regierungs­zeit zudem den öffentlich­en Dienst stark ausgeweite­t. Wer sich illoyal zeigt, riskiert seinen Posten.

Umgekehrt beklagten die Sozialdemo­kraten, dass ihre Anhänger gehindert würden, an der für Sonntagnac­hmittag angesetzte­n Demonstrat­ion der Opposition teilzunehm­en.

 ?? BILD: SN/APA/EPA/GEORGI LICOVSKI ?? Zehntausen­de Menschen forderten am Sonntag bei einer Demonstrat­ion in Skopje den Rücktritt der Regierung Mazedonien­s.
BILD: SN/APA/EPA/GEORGI LICOVSKI Zehntausen­de Menschen forderten am Sonntag bei einer Demonstrat­ion in Skopje den Rücktritt der Regierung Mazedonien­s.

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