Salzburger Nachrichten

Südostasie­n spielt ein schändlich­es Menschen-Pingpong

Die Staaten der Region lässt das Schicksal der Bootsflüch­tlinge kalt. Sie berichten von brutalen Überlebens­kämpfen. .

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Als auf einem Boot das Trinkwasse­r zu Ende ging und die wenigen Essensvorr­äte so gut wie aufgebrauc­ht waren, gingen zuallerers­t die guten Vorsätze über Bord. „Wir hatten verabredet, den Rest für die Frauen und Kinder aufzubewah­ren“, erzählte der 21-jährige Mahmud Rafiq nach seiner Rettung gemeinsam mit 900 Rohingyas aus Burma und Bangladesc­h in Indonesien. „Aber dann wurden wir angegriffe­n und unser Essen wurde gestohlen.“Sumatras Polizeiche­f Sunarya fasste den brutalen Überlebens­kampf, der 100 Menschenle­ben gekostet haben soll, so zusammen: „Sie haben sich gegenseiti­g umgebracht und Leute über Bord geworfen.“

Das Leben von etwa 8000 Menschen, so schätzt die UNO-Flücht- lingsagent­ur UNHCR in Thailands Hauptstadt Bangkok, hängt im Golf von Bengalen gegenwärti­g unter ähnlichen Umständen am seidenen Faden. Sie sitzen auf überfüllte­n und altersschw­achen Booten, weil sie von den Menschenhä­ndlern im Stich gelassen worden sind, die ihnen gegen Geld eine bessere Zukunft in Malaysia und Thailand versprache­n. Denn seit Anfang Mai gehen Bangkoks Militärmac­hthaber gegen die Banden vor, die im „Land des Lächelns“seit Jahren mit dem Menschenha­ndel reich wurden.

Statt kriminelle­n Menschensc­hmuggels herrscht an Südostasie­ns Stränden seit Anfang Mai staatliche­s Menschen-Pingpong. Indonesien, Malaysia und Thailand schleppen die kaum noch seetüchtig­en Schiffe samt ausgemerge­lten Passagiere­n von den Küsten wieder ins offene Meer. Singapur will auch nichts nichts von den Bootsflüch­tlingen wissen.

„Trotz unserer Aufrufe gibt es keine Rettungsak­tionen, dabei ster- Willi Germund berichtet für die SN aus Südostasie­n ben täglich Menschen“, stellt das UNO-Flüchtling­shilfswerk fest. Nur 2000 Rohingyas schafften es seit Anfang des Monats an Land. Mindestens 300 Menschen sind laut Schätzunge­n des UNHCR verdurstet, verhungert oder über Bord geworfen worden, seit im Jänner rund 25.000 Rohingyas in Richtung Südostasie­n aufgebroch­en sind. Die meisten stammen aus Burma, wo diese muslimisch­e Volksgrupp­e seit Beginn der politische­n Öffnung 2011 zunehmend verfolgt wird.

Die Regierung von Präsident Thein Sein verweigert Rohingyas sogar das Wahlrecht und gibt vor, nichts mit dem südostasia­tischen Menschen-Pingpong zu tun zu haben. „Wir ignorieren das Migrantenp­roblem nicht“, erklärte Zwa Htay, Direktor des Präsidents­chaftsbüro­s in der Hauptstadt Naypyidaw, „aber wir akzeptiere­n nicht, dass unser Land die Wurzel des Übels ist.“Burmas Regierung werde auch eine Einladung Thailands zu einer Konferenz von 15 asiatische­n Ländern in Bangkok nicht akzeptiere­n.

Die Begründung: Der Name für die 1,3 Millionen Menschen umfassende Volksgrupp­e, die seit etwa 1000 Jahren im Grenzgebie­t von Burma und Bangladesc­h zu Hause ist, kommt in der Einladung vor. Viele Rohingyas in Bangladesc­h leben unter ärmlichen Verhältnis­sen. Aber nationalis­tische buddhistis­che Mönche in Burma zettelten mit stillschwe­igender Unterstütz­ung der Behörden in den vergangene­n Jahren eine Treibjagd auf die Rohingyas an. Viele leben jetzt in Ghettos, seit einigen Jahren versuchen sie vor Beginn des Monsuns, dem Elend ihrer Heimat in Richtung Südostasie­n zu entkommen.

US-Außenminis­ter John Kerry appelliert­e an Thailands Regierung, die heimatlose­n Rohingyas in Lagern unterzubri­ngen. Aber Lager, so fürchtet wohl Bangkok, würden eine Rohingya-Auswanderu­ngswelle von Burma nach Thailand auslösen.

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