Nicht der Aufputz
Frauen sollen im Kino klarmachen: „Wir und niemand sonst“können die Filmwirtschaft retten. Das sagte Salma Hayek in Cannes.
CANNES. In Hollywood geht das Gerücht, dass Filmproduzenten vor wichtigen Meetings Viagra nehmen, um aggressiver aufzutreten. Parker Posey, die in Woody Allens neuem Film „Irrational Man“mitspielt, erntete mit der Geschichte Gelächter in illustrer Runde. Es war ein Gespräch unter Kolleginnen: Filmstar und Produzentin Salma Hayek, die Produzentinnen Elizabeth Karlsen und Christine Vachon und Bollywoodstar Aishwarya Rai waren von der UNO-Frauenbeauftragten Elizabeth Nyamayaro und „Variety“-Vizeherausgeberin Claudia Eller zu einer Diskussion über die Filmwirtschaft eingeladen. Und wirtschaftlich argumentierte vor allem Hayek für mehr weibliche Macht in Hollywood. Im Fernsehen, so Hayek, sei weniger Budget notwendig, daher würden hier schon länger glaubwürdige Frauenfiguren geschrieben. Im Kino hingegen „glauben die Produzenten immer noch, wir wollen nur Liebeskomödien sehen. Was für eine Ignoranz!“
Immerhin gibt es im CannesWettbewerb, soweit er bisher gelaufen ist, beachtliche Abwechslung: Todd Haynes’ Verfilmung des Highsmith-Thrillers „Carol“ist eine zwingende, zärtliche Liebesgeschichte zwischen einer älteren Frau (Cate Blanchett) und einer jungen Fotografin (Rooney Mara) im New York der frühen 1950er-Jahre. Nanni Moretti gelingt in „Mia Madre“mit Margherita Buy das Porträt einer Regisseurin, die sich zwischen Arbeit und Privatleben selbst überfordert, da ihre Mutter im Sterben liegt. Maïwenn zeichnet in „Mon Roi“eine stürmische, verletzende Beziehung (zwischen Emmanuelle Bercot und Vincent Cassel) nach. Hirokazu Kore-eda erzählt in „Umimachi Diaries“von vier temperamentvollen Schwestern. Und in dem witzigen, verstörenden Zukunftsbeziehungsszenario „The Lobster“darf Rachel Weisz immerhin für Colin Farrell mehr als nur das Objekt der Begierde spielen.
Doch der Cannes-Wettbewerb repräsentiert nur einen sehr schmalen Ausschnitt des Weltkinos. Das große Geld wird seit Jahrzehnten für Filme ausgegeben, die auf eine einzige demografische Gruppe zugeschnitten sind: junge Männer. „Dabei sieht sich die Filmwirtschaft seit Jahren am Abgrund – und wir könnten sie retten. Wir, und niemand sonst“, so Salma Hayek. „Das Einzige, was mächtige Menschen in der Filmindustrie inspiriert, ist Geld. Die müssen kapieren, wie mächtig wir wirtschaftlich sind. Achtzig Prozent der Kaufentscheidungen in den USA werden von Frauen getroffen!“
Noch ist diese Botschaft nicht durchgedrungen, wie Hayek aus ihrer Erfahrung erzählt: Ist ein Film erfolgreich, erhöht das den Marktwert des männlichen Stars, Schauspielerinnen hingegen werden lediglich als optischer Aufputz benutzt. „Ich habe schon mehrfach zu Filmen zugesagt, weil meine Figur im Drehbuch witzige, kluge Dinge zu sagen hatte. Am Filmset musste ich dann rausfinden, dass diese Sätze alle durch dämliches Geplapper ersetzt wurden, damit der Held ungestört strahlen kann.“Filmproduzenten hätten noch nicht verstanden, dass sie Filme für Frauen machen müssten, wenn sie Geld verdienen wollten, sagt Hayek. „Und wenn ein Film für eine rein weibliche Zuschauerschaft wirklich erfolgreich ist, wie ,Fifty Shades of Grey‘, wird das als Zufall abgetan.“
Die Gesprächsrunde fand im Rahmen der UNO-Initiative „He for She“statt, die Männer ermutigen will, für Gleichberechtigung einzustehen. Der Einladung zum Gespräch war allerdings kein einziger Mann gefolgt.