Tödliche Eifersucht kann ganz leise wirken
Achim Freyer entwickelt aus Salvatore Sciarrinos „Luci mie traditrici“ein buntes, surreales Gesamtkunstwerk.
WIEN. Der Gesamtkünstler war wieder am Wirken, was der ersten Opernproduktion der Wiener Festwochen einen immensen Schauwert bescherte. Achim Freyer ist nicht nur Opernregisseur, er ist auch bildender Künstler. Salvatore Sciarrinos Musiktheater „Luci mie traditrici“ist eines der Herzstücke der zweiten Wiener Festwochen, die Markus Hinterhäuser verantwortet. Er war es auch, der das Stück 2008 zu den Salzburger Festspielen innerhalb des „Kontinents Sciarrino“in die Kollegienkirche brachte. Rebecca Horn inszenierte und stattete aus, der magische Klangraum des Salzburger Gotteshauses tat seine eigene Wirkung. Nun ist man im Museumsquartier in weit nüchterner Umgebung, die Mitwirkenden sind dieselben wie in Salzburg: durchwegs am Extrem geschulte Künstler, die mit dem hochkomplexen Werk vertraut sind.
Sciarrinos leise, nichtsdestoweniger hochdramatische Komposition hat unter dem Titel „Die tödliche Blume“schon eine Reihe von Inszenierungen erfahren. Achim Freyer als Bilderfinder mit surrealer Fantasie setzt ein Vorspiel voran. Es zeigte sich als eine Art Diavortrag mit Bildarrangements durch das skurril kostümierte Freyer-Ensemble. Blitzschnelle „Umbauten“im Finstern, wenige Sekunden Zeit, um die neuen „Szenen“zu bestaunen. Ein Pierrot, der zur Axt greift, ist wohl der Hauptheld in diesem verwirrend schönen, farblich wechselnden Freyer-3D-Comic.
Zu Sciarrinos Werk: Es geht um den Renaissancemenschen Carlo Gesualdo, Fürst von Venosa, der nicht nur durch seine chromatischen Madrigale zur mythischen Figur geworden ist, sondern auch durch einen Eifersuchtsmord, mit dem er 1590 seine Gattin und deren Liebhaber beseitigte. Hochfahrende Emotionen überträgt Sciarrino aber nicht in Explosionen, sondern in raffinierteste fragile Klangwelten an der Grenze zur Hörbarkeit, hauchende Bläser, zirpende Obertonstreicher, zarteste Flötenlinien, zwischendurch ein verfremdetes Echo aus der Tradition. Impulsiv wirkt der subtile Gesang der Dramenfiguren.
Es ist ein faszinierendes Werk für offene Hörer. Freyer stellt mehrere Ebenen in den Raum, oben die Fürs- tin (Anna Radziejewska mit imponierender Virtuosität), unbewegt in einer Art sexy Korsettkleid und groteskem Freyer-Busen, unten kämpft der Fürst gegen Leinen, in denen er bildhaft verstrickt ist (der Bariton Otto Katzameier verfügt über expressive Ausdrucksmittel). Der verräterische Diener (Simon Jaunin) und der Liebhaber/Gast (Countertenor Kai Wessel) sind ebenfalls in grotesken Positionen tätig. Und sogar der Dirigent Emilio Pomàrico, der das superbe, hingebungsvoll spielende Klangforum Wien souverän leitet, ist im Kostüm.
Fazit dieser Musiktheater-Produktion: ein Gesamtkunstwerk, wie es nur Achim Freyer gelingt.
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