Salzburger Nachrichten

Reisen in die Knautschzo­ne

Es sind luftig-leichte Zugänge zu einem mitunter schweren Thema – dem Leben an sich mit seiner oft glatten Oberflächl­ichkeit. Hans Kupelwiese­r öffnet sie mit lustvoller Verspielth­eit.

- Hans Kupelwiese­r: Überformen; Nexus Saalfelden, bis 11. Juli und von 27. bis 30. August; Infos: WWW.KUNSTHAUSN­EXUS.COM

13 Jahre entspreche­n 156 Monaten. Das ist eine lange Zeit. Doch Hans Kupelwiese­r hebt sie einfach auf: 2002, also exakt vor 13 Jahren, wurde das Kunsthaus Nexus eröffnet. Samt eingeschlo­ssener Kunsthalle. Es ist, als hätte sie der multimedia­l agierende Bildhauer, Grafiker, Fotograf und Medienküns­tler ganz neu wachgeküss­t – so stimmig präsentier­t sich sein Ausstellun­gskonzept. Leuchtkäst­en, sich drehende, reflektier­ende Skulpturen, knallbunte Plastiken, Fotogramme und die humorvolle Wandplasti­k eines Nudeltelle­rs ergeben ein stimmiges Ganzes.

Von einer Abfolge hochästhet­ischer Fotografie­n eines Tisches werden die Besucher entlang der Treppe in den Hauptraum der Kunsthalle begleitet. Kupelwiese­r erklärt den tieferen Gehalt: „Es ist das Wahre des Tisches.“

Ehe der Fotograf ans Werk ging, zog er einem Teil von Tischplatt­e und Tischbeine­n das Furnier ab. Zu Tage trat das Innerste: Maserungen, Verklebung­en, Bruchstell­en – das Wahre. Der Rest blieb in der industriel­l gefertigte­n, auf Hochglanz polierten Form erhalten.

Dieser griffig dargestell­te Kontrast zeigt, was Kupelwiese­rs Arbeit ausmacht: ein kluger Blick unter die Oberfläche mit ihrem glatten, polierten Schein.

Am Anfang des künstleris­chen Wirkens standen bei Hans Kupelwiese­r Neugier und die Fotografie als Medium. Der in Lunz am See Geborene ist Autodidakt, nicht nur, was die Fotografie anlangt. Und daher ist er auch in einem hohen Maße unverbilde­t. Das macht ihn eigenständ­ig und äußert sich in einer sehr individuel­len künstleris­chen Note. Das planende Tun, das Spielen mit den Eigenheite­n der Materialie­n beherrscht er meisterhaf­t. So wird aus dem Foto vieler bunter Plastiksac­kerl ein 287 mal 180 Zentimeter großer Leuchttisc­h. Dieser lehnt an der Wand und mutet aufs erste Hinschauen an wie ein historisch­es Kirchenfen­ster mit kunstvolle­r Glasmalere­i. Beim zweiten Hinsehen werden daraus simple Einkaufssa­ckerl: gleichsam eine Schau der stets sexy knisternde­n Ikonen unserer fromm auf Konsum ausgericht­eten Gesellscha­ft.

Im Zentrum, mitten auf dem Boden der Kunsthalle, liegt eine Plastik namens CRMM. Wie mehrere zerknüllte Blätter Papier winden sich Aluminiumt­eile ineinander. Knallrot, gelb, blau. Das sieht aus wie der Rest einer zerbeulten, abgestürzt­en Raumstatio­n, die, wie auch immer, durch die unbeschädi­gte Decke gekommen sein muss.

Wie entsteht so etwas, das so duftig anmutet, aus hartem Aluminium ist und dennoch wie ein federleich­tes Pop-Art-Statement dasteht? Im konkreten Fall im Teamwork: Beteiligt war auch Mario Reiter, ein Baggerfahr­er. Er arbeitet auf dem Schrottpla­tz von Ybbs. Mittlerwei­le hat er perfekt gelernt, mit feinem Händchen am Joystick alle zweckdienl­ichen Hinweise Kupelwiese­rs mit dem Bagger akkurat schöpferis­ch umzusetzen. Kupelwiese­r besorgt dann den finalen Feinschlif­f.

Zentraler Ausgangspu­nkt in Kupelwiese­rs Arbeiten ist fast immer die Fotografie. Zum Beispiel in Form von Fotogramme­n. Da werden, wie oben am Beispiel des Fahrrades zu sehen ist, Alltagsgeg­enstände auf überdimens­ional großes Fotopapier gelegt und belichtet und dann in Form gebracht, indem das Trägermate­rial, also das Fotopapier, zerknitter­t oder in Plastiken verwandelt wird. Frei nach dem Motto: Das Leben ist eine ständige Knautschzo­ne.

Ausstellun­g:

„Skulpturen mit Baggern geformt.“

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BILD: SN/NEXUS Feine Ironie ist eine der Zugaben in Kupelwiese­rs Kunst.
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Hans Kupelwiese­r

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