Reisen in die Knautschzone
Es sind luftig-leichte Zugänge zu einem mitunter schweren Thema – dem Leben an sich mit seiner oft glatten Oberflächlichkeit. Hans Kupelwieser öffnet sie mit lustvoller Verspieltheit.
13 Jahre entsprechen 156 Monaten. Das ist eine lange Zeit. Doch Hans Kupelwieser hebt sie einfach auf: 2002, also exakt vor 13 Jahren, wurde das Kunsthaus Nexus eröffnet. Samt eingeschlossener Kunsthalle. Es ist, als hätte sie der multimedial agierende Bildhauer, Grafiker, Fotograf und Medienkünstler ganz neu wachgeküsst – so stimmig präsentiert sich sein Ausstellungskonzept. Leuchtkästen, sich drehende, reflektierende Skulpturen, knallbunte Plastiken, Fotogramme und die humorvolle Wandplastik eines Nudeltellers ergeben ein stimmiges Ganzes.
Von einer Abfolge hochästhetischer Fotografien eines Tisches werden die Besucher entlang der Treppe in den Hauptraum der Kunsthalle begleitet. Kupelwieser erklärt den tieferen Gehalt: „Es ist das Wahre des Tisches.“
Ehe der Fotograf ans Werk ging, zog er einem Teil von Tischplatte und Tischbeinen das Furnier ab. Zu Tage trat das Innerste: Maserungen, Verklebungen, Bruchstellen – das Wahre. Der Rest blieb in der industriell gefertigten, auf Hochglanz polierten Form erhalten.
Dieser griffig dargestellte Kontrast zeigt, was Kupelwiesers Arbeit ausmacht: ein kluger Blick unter die Oberfläche mit ihrem glatten, polierten Schein.
Am Anfang des künstlerischen Wirkens standen bei Hans Kupelwieser Neugier und die Fotografie als Medium. Der in Lunz am See Geborene ist Autodidakt, nicht nur, was die Fotografie anlangt. Und daher ist er auch in einem hohen Maße unverbildet. Das macht ihn eigenständig und äußert sich in einer sehr individuellen künstlerischen Note. Das planende Tun, das Spielen mit den Eigenheiten der Materialien beherrscht er meisterhaft. So wird aus dem Foto vieler bunter Plastiksackerl ein 287 mal 180 Zentimeter großer Leuchttisch. Dieser lehnt an der Wand und mutet aufs erste Hinschauen an wie ein historisches Kirchenfenster mit kunstvoller Glasmalerei. Beim zweiten Hinsehen werden daraus simple Einkaufssackerl: gleichsam eine Schau der stets sexy knisternden Ikonen unserer fromm auf Konsum ausgerichteten Gesellschaft.
Im Zentrum, mitten auf dem Boden der Kunsthalle, liegt eine Plastik namens CRMM. Wie mehrere zerknüllte Blätter Papier winden sich Aluminiumteile ineinander. Knallrot, gelb, blau. Das sieht aus wie der Rest einer zerbeulten, abgestürzten Raumstation, die, wie auch immer, durch die unbeschädigte Decke gekommen sein muss.
Wie entsteht so etwas, das so duftig anmutet, aus hartem Aluminium ist und dennoch wie ein federleichtes Pop-Art-Statement dasteht? Im konkreten Fall im Teamwork: Beteiligt war auch Mario Reiter, ein Baggerfahrer. Er arbeitet auf dem Schrottplatz von Ybbs. Mittlerweile hat er perfekt gelernt, mit feinem Händchen am Joystick alle zweckdienlichen Hinweise Kupelwiesers mit dem Bagger akkurat schöpferisch umzusetzen. Kupelwieser besorgt dann den finalen Feinschliff.
Zentraler Ausgangspunkt in Kupelwiesers Arbeiten ist fast immer die Fotografie. Zum Beispiel in Form von Fotogrammen. Da werden, wie oben am Beispiel des Fahrrades zu sehen ist, Alltagsgegenstände auf überdimensional großes Fotopapier gelegt und belichtet und dann in Form gebracht, indem das Trägermaterial, also das Fotopapier, zerknittert oder in Plastiken verwandelt wird. Frei nach dem Motto: Das Leben ist eine ständige Knautschzone.
Ausstellung:
„Skulpturen mit Baggern geformt.“