Seine Fahrräder reisten mit dem Schiff zu Ausstellungen rund um die Welt
Natürlich kommt Michael Embacher zum Interviewtermin in der Wiener Innenstadt mit einem seiner Fahrräder. Befragt, was das Besondere an diesem Modell sei, meint der Architekt: „Es is a oide Tschesn.“Er hat viele davon, sein ältestes Fahrrad stammt aus dem Jahr 1920. Der 52-Jährige hat binnen zehn Jahren eine beachtliche Sammlung von mehr als 200 alten Fahrrädern aus der ganzen Welt aufgebaut. Und jetzt entlässt sie Embacher wieder in die Freiheit, wie er sagt. „Mir taugt die Vorstellung, dass wieder Menschen regelmäßig damit fahren.“Morgen, Dienstag, kommt der Großteil seiner Räder unter den Hammer. Im Wiener Dorotheum rechnet man damit, dass die zum Teil recht ausgefallenen Stücke binnen zwei Stunden neue Eigentümer gefunden haben werden.
Ob Tandems, Falträder, kuriose Koffer-Bikes oder sonstige Kultobjekte – Radfreaks aus aller Herren Länder bringen sich bereits in Stellung. Schließlich kann man auch über Telefon mitsteigern. Klingende Marken wie Bianchi, Moulton, Lotus, BMW oder Francesco Moser suchen einen neuen Liebhaber. Dass seine Sammlung aufgeteilt wird, stört Embacher überhaupt nicht. „Es sind keine Kunstwerke, die die Welt bewegt haben. Die Stücke haben keine geschichtliche Relevanz, die Sammlung gehorcht keinen Prinzipien“, meint er. Keine Spur von Wehmut oder Sentimentalität. „Die Trennung fällt mir gar nicht schwer. Das Kapitel Fahrräder ist für mich abgeschlossen. Ich habe meine Arbeit gemacht.“Tatsächlich hat der viel beschäftigte Architekt viel Zeit und Energie in sein Hobby gesteckt. Er hat nicht nur Räder repariert und fahrtauglich gemacht, sondern seine Sammlung katalogisiert. Nebenbei schrieb er zwei Bücher über Fahrräder, das zweite erschien im Londoner Verlag Thames & Hudson. 100.000 Stück wurden davon in neun Sprachen verkauft. Und seine Räder reisten um die Welt – zu Ausstellungen im Kunstmuseum Portland (USA), im De- sign Museum Tel Aviv und im Wiener Museumsquartier. Die Sammlung Embacher gilt als eine der bedeutendsten weltweit.
So richtig begonnen hat seine Liebe zum Fahrrad im Pinzgau. Genauer gesagt in Saalfelden. Sein Vater stammt von dort ab und Michael verbrachte seine Jugend vom elften bis zum neunzehnten Lebensjahr dort. Er erinnert sich an einen alten, schrulligen Fahrradhändler, dessen giftgrünes Puch ihm so gefiel, dass er ein solches Markenrad um sein erstes, aus einem Ferialjob selbst verdientes Geld erstand. Vor zwölf Jahren habe er begonnen, auf eBay alte Räder zu kaufen. „Ich war überrascht, wie viele spezielle Räder an- geboten werden“, erzählt Embacher. Da sei er dann „reingekippt“ins Sammeln. Zu seinem Glück konnte er seine Räder auf einem alten Dachboden nahe seinem Atelier verstauen – „und nach Lust und Laune jeden Tag mit einem anderen Rad fahren“. Vor zwei Jahren musste er die Räder allerdings in ein Lager umsiedeln, was seinen Entschluss zum Verkauf beschleunigte.
Embacher hat eine Vorliebe für ausgefallenere Modelle mit besonderen technischen Lösungen. „Ich bin kindisch und stehe auf Mechanik. Es gefällt mir, wenn es surrt und klackert.“Beispielsweise hat er von einem Franzosen ein Rad gekauft, das man zu einem Anhänger für ein Faltboot umbauen kann. „Ich liebe so schrullige Sachen“, sagt er. „Ich habe gekauft, was irgendwie leistbar war und mir gefallen hat.“
Wie viel Zeit und Geld er aufgewendet hat, will er gar nicht wissen. Allein die Ausrufungspreise liegen bei rund 200.000 Euro. Einige werden schon ab 50 Euro gehandelt, das teuerste um 18.000 Euro. Für Embacher sind Fahrräder wegen ihres Designs interessant, aber er verbindet damit auch eine politische Botschaft. „Es geht um die Lebensqualität in der Stadt. Rad fahren macht Spaß, man kommt sehr schnell von A nach B und man zeigt Lebenshaltung. Es ist ein absolutes Produkt der heutigen Zeit.“Welches er am liebsten hat? „Im Moment gefällt mir ein altes, rostiges italienisches Rad am besten. Das Rötliche vom Rost und der Farbton Mint sind sehr schön.“Da sage noch jemand, Embacher sei kein Freak.