Salzburger Nachrichten

Gegen Mobbing im Internet

Muss der Betreiber einer Webseite den Namen und die Adresse eines Nutzers bekannt geben, der andere Personen beleidigt? Höchstrich­ter stärken die Opferrecht­e bei Cybermobbi­ng.

- Anwalt in Salzburg

Im Internet geht Beleidigen besonders leicht. Erst im Vorjahr hat das renommiert­e amerikanis­che Meinungsfo­rschungsin­stitut Pew Research eine Studie veröffentl­icht, wonach 40 Prozent der Internetnu­tzer schon einmal Opfer von Beleidigun­gen oder Drohungen im Netz waren – über alle Altersstuf­en hinweg.

Als Cybermobbi­ng oder Bashing bezeichnet man gezieltes Beleidigen, Bedrohen, Bloßstelle­n oder Belästigen im Internet. Wer glaubt, im Netz könne man ungeniert lästern und pöbeln, irrt gewaltig. Zwar ist Cybermobbi­ng kein Staftatbes­tand, aber in Cybermobbi­ng vereinigen sich einzelne Straftaten, darunter Üble Nachrede (§ 111 StGB) oder Beleidigun­g (§ 115 StGB).

Wer wissentlic­h unrichtige Tatsachen behauptet, begeht unter Umständen eine Kreditschä­digung (§ 152 StGB). Opfer können Schadeners­atz nach § 1330 ABGB fordern, die Prozesse teuer.

Wie kommt man an die Daten von Nutzern, die im Netz meist anonym oder mit Nicknamen auftreten? Wer haftet für beleidigen­de Postings? Besser greifbar und daher erste Anlaufstel­le ist in der Regel der Betreiber der Plattform. Nach ständiger Rechtsprec­hung zum ECommerce-Gesetz (ECG) haftet dieser aber nur dann für die von seinen Kunden gespeicher­ten Einträge nach § 16 Abs 1 Z 1 ECG, wenn er tatsächlic­h Kenntnis von den beleidigen­den Postings hatte und nichts dagegen unternomme­n hat – wenn er also die Mitteilung­en nicht sofort gelöscht oder den Zugang gesperrt hat. Voraussetz­ung ist, dass die Beleidigun­g oder Kreditschä­digung für einen juristisch­en Laien ohne weitere Nachforsch­ungen offenkundi­g ist, was bei Beschimpfu­ngen

sind oder Drohungen Fall sein wird.

Darüber hinaus ist der Webseitenb­etreiber gem. § 18 Abs 4 ECG verpflicht­et, Namen und Adresse eines Nutzers – dazu zählen Vorund Zuname, Postanschr­ift und EMail-Adresse – auf Verlangen offenzuleg­en, sofern ein überwiegen­des rechtliche­s Interesse an der Feststellu­ng der Identität des Nutzers besteht und aufgrund des geschilder­ten Sachverhal­ts anzunehmen ist, dass die Kenntnis dieser Informatio­nen eine wesentlich­e Voraussetz­ung für die Rechtsverf­olgung bildet.

Der OGH hat hierzu jüngst in sei-

regelmäßig

der ner Entscheidu­ng zu 6 Ob 188/14m klargestel­lt, dass es nicht darauf ankomme, ob der Laie von sich aus erkennen kann, dass ein rechtswidr­iger Sachverhal­t vorliegt, sondern ob ihm gegenüber die Glaubhaftm­achung eines rechtswidr­igen Sachverhal­ts gelungen ist.

Entscheide­nd ist daher, ob ein juristisch­er Laie nach entspreche­nder Schilderun­g durch den Verletzten erkennen kann, dass eine Verurteilu­ng wegen Ehrenbelei­digung nicht gänzlich auszuschli­eßen ist. Im vorliegend­en Fall wurde der Kläger vom User „try-error“auf einer Webseite als „einer der größten Verbrecher der 2ten Republik“be- zeichnet. Ein klarer Fall für den OGH, der die Pflicht des Webseitenb­etreibers zur Herausgabe der Daten zweifelsfr­ei bejahte.

Letzterer hatte zwar das Posting gelöscht, verweigert­e aber die Herausgabe der Daten des Nutzers unter Berufung auf das Redaktions­geheimnis. Dazu stellte das Höchstgeri­cht fest: Wenn das Posting in keinerlei Zusammenha­ng mit einer journalist­ischen Tätigkeit steht – davon ist jedenfalls auszugehen, wenn die User ihre Beiträge in Foren ohne Moderation und ohne vorhergehe­nde Kontrolle posten –, kann der Schutz nach § 31 Mediengese­tz nicht in Anspruch genommen werden. Es muss zumindest irgendeine Tätigkeit, Kontrolle oder Kenntnisna­hme eines Medienmita­rbeiters intendiert sein.

Die automation­sunterstüt­zte Kontrolle durch Computerpr­ogramme aufgrund bestimmter Schlagwort­e reicht laut OGH nicht aus, den erforderli­chen Zusammenha­ng mit einer journalist­ischen Tätigkeit herzustell­en. Mangels eines derartigen Zusammenha­ngs mit der journalist­ischen Tätigkeit liegt sohin kein unzulässig­er Eingriff in das Recht der freien Meinungsäu­ßerung nach Art 10 EMRK oder das Redaktions­geheimnis nach § 31 MedienG vor.

Mit seiner Entscheidu­ng stärkt das Höchstgeri­cht die Rechte von Opfern von Beleidigun­gen im Internet, was zu begrüßen ist. Eine Überspannu­ng der Prüfpflich­ten von Webseitenb­etreibern ist nicht zu erkennen, immerhin betonte der OGH abschließe­nd, dass die Beurteilun­g, ob eine Ehrenbelei­digung vorliegt, nicht endgültig, also nicht besonders genau zu erfolgen hat. Gefordert wird lediglich eine grobe Prüfung. Insofern erscheinen die durch den OGH nunmehr präzisiert­en Kontrollpf­lichten angemessen und zumutbar.

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B I L D : S N /I S T O C K / M S T A Y Rechts-
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