Salzburger Nachrichten

Und der Totalausfa­ll fiel dann doch aus

Die Y2K-Show: Computer drohten zu kollabiere­n und also die ganze Welt mit ihnen.

- SALZBURG.

Kaum war’s vorbei, dieses 1999, konnte alles wie immer hochgefahr­en werden. Oder wie es im ersten SN-Leitartike­l des Jahres 2000 über schlimmste Prophezeiu­ngen heißt: „Wir leben noch – keine Atomrakete ist aus ihrem mitternäch­tlichen Schlaf panisch aufgewacht, um den Dritten Weltkrieg zu gewinnen, kein Aufzug in den Keller geflüchtet, um auf die hundertjäh­rige Wartung zu warten . . .“Was war passiert, dass über ein komplettes Nicht-Passieren ein Leitartike­l erscheinen musste?

1999 war das Jahr massenhaft­er Befürchtun­gen und nostradami­scher Verkündigu­ng. „Millennium-Bug“, „Y2K“– das waren Schlagwort und Abkürzung, die die Welt in Atem hielten, bis dann die Silvestern­acht 1999 mit Ausnahme der Millennium­s-BabyWettge­burten und der üblichen Besoffenen völlig ruhig verging.

„Ausfall“war dabei noch eines der harmlosere­n Worte, das mancher Experte verwendete. Flugzeug- und Börsencras­hs, Stromausfä­lle, Versorgung­sengpässe, Massenpani­k und Unregierba­rkeit, ja ein „Kollaps mit unabsehbar­en Folgen bis hin zu Kriegsgefa­hr“waren angekündig­t worden. Es wurden Symposien „mit Tipps für 2000 in letzter Minute“angeboten. „Retten Sie Ihren PC: Noch bleibt Zeit, den Jahr-2000-Bug in Ruhe zu beheben“stand da. Und Anfang Dezember waren dann zum „Thema Y2K“auch „Experten am SN-Telefon“.

Kurz erklärt, worum es bei dem Problem geht, wurde in einem SN-Schwerpunk­t schon zu Jahresbegi­nn. „Unter ,Y2K‘ ist das Jahr-2000-Problem im Computer-Jargon bekannt geworden (. . .). Computer können Zeit und Datum nur als Zahlen verstehen. Die meisten Programme verwenden eine sechs- stellige Ziffer nach dem Schema JJMMTT. Der Grund für die Verkürzung der Jahreszahl auf zwei Stellen: In der Urzeit der Rechner war Speicherpl­atz teure Mangelware.“Und die bevorstehe­nden Nullen für 2000 waren unsichere Kandidaten, weil nicht klar war, wie die Computer auf sie reagieren würden.

Im Lauf des Jahres entspannte sich die Lage. „Stromverso­rger fit für 2000“, „AKH ist Y2K-fest“stand da zu lesen. Es wurde fest daran gearbeitet, die Nullen umzuschrei­ben und Programmie­rungslücke­n auszumerze­n – auch bei den SN. Und so konnte Helmut Spudich, damals für Computer- und IT-Belange zuständige­r Redakteur, in seinem ersten 2000er-Leitartike­l rückblicke­nd über 1999 schreiben: „Die realen Probleme paarten sich mit einer (medialen) Inszenieru­ng, die der Lust des Publikums an den letzten Tagen der Menschheit huldigte.“

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