Salzburger Nachrichten

Tsipras macht das Schuldendr­ama zur Chefsache

Kein Durchbruch bei Krisentref­fen in Brüssel. In Athen rufen Syriza-Politiker nach Neuwahlen.

- SN, n-ost

Knapp fünfeinhal­b Stunden konferiert­en der griechisch­e Premier Alexis Tsipras und EUKommissi­onschef Jean-Claude Juncker am Mittwochab­end in Brüssel, aber der erhoffte Durchbruch blieb aus. Das Tauziehen zwischen Griechenla­nd und den Gläubigern um ein neues Reformkonz­ept, das den Weg zur Freigabe der bisher zurückgeha­ltenen Finanzhilf­en ebnen soll, geht weiter.

In Kommission­skreisen war zwar von einem „guten, konstrukti­ven Treffen“die Rede. Und Tsipras konstatier­te, es gebe Annäherung­en. Zeitweilig nahm Eurogruppe­nchef Jeroen Dijsselblo­em an den Beratungen teil. Seinen umstritten­en Finanzmini­ster Yanis Varoufakis hatte Tsipras dagegen gar nicht erst nach Brüssel mitgebrach­t. Die Verhandlun­gen sind nun Chefsache und laufen längst an Varoufakis vorbei.

Gleich nach seiner Rückkehr aus Brüssel rief Tsipras am Donnerstag­nachmittag führende Minister und enge Berater zusammen. Man rechnete damit, dass die Beratungen bis spät in den Abend dauern würden. Möglicherw­eise werde Tsipras am Freitag erneut zu einem weiteren Treffen mit Juncker nach Brüssel fliegen, hieß es in Athen.

Tsipras scheint um einen Kom- promiss bemüht, auch wenn er in den Verhandlun­gen bereits einige seiner Wahlverspr­echen annulliere­n oder zumindest zurückstel­len musste. Aber wenn der Premier die Verhandlun­gen wirklich erfolgreic­h abschließe­n will, muss er noch viel Überzeugun­gsarbeit leisten. Wie eine kalte Dusche wirkte in Athen, was bisher zu den Vorschläge­n der Gläubiger durchsicke­rte. Die Geldgeber verlangten einen „Blutzoll“von den Griechen, titelte die Zeitung „Ta Nea“. Das Wirtschaft­sblatt „Imerisia“schrieb von „schockiere­nden Vorschläge­n“.

Schon vor der Rückkehr des Premiers hatten führende Politiker der Regierungs­partei Syriza die Vor- schläge der Gläubiger zurückgewi­esen. Auf großen Widerstand stoßen vor allem die Überlegung­en zur Erhöhung der Mehrwertst­euer für Energierec­hnungen, die Gastronomi­e und Medikament­e sowie die vorgeschla­genen Pensionskü­rzungen. „Das geht nicht durch“, sagte kategorisc­h Sozialmini­ster Dimitris Stratoulis, ein Wortführer des linksextre­men Syriza-Flügels. Die Forderunge­n der Gläubiger liefen „auf eine Ausrottung der griechisch­en Pensionist­en hinaus“. Griechenla­nd habe „Alternativ­en, die weniger kosten als die Unterschri­ft unter eine derart schändlich­e und erniedrige­nde Vereinbaru­ng“.

Arbeitsmin­ister Panos Skourletis sagte, die Gläubiger führten einen „Krieg“gegen Griechenla­nd, der „zwar nicht mit einem Aufmarsch von Truppen an unseren Grenzen, aber mit allen Methoden des modernen Kapitalism­us“ausgetrage­n werde.

Der Syriza-Wirtschaft­sexperte Giannis Milios forderte die sofortige Einstellun­g des Schuldendi­enstes und die Einführung von Kapitalkon­trollen. Mehrere Syriza-Politiker, unter ihnen der Vize-Parlaments­präsident Alexis Mitropoulo­s, sprachen sich für Neuwahlen aus. Die Vorschläge der Gläubiger seien „eine Kriegserkl­ärung“. Die einzige Antwort seien vorzeitige Wahlen, so Mitropoulo­s.

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