Salzburger Nachrichten

Mallorca alkoholfre­i

Imagekorre­ktur. Auf Mallorca lässt sich gut trinken. Es lässt sich aber auch herrlich wandern. Einsicht einer Reisenden, die dort nie hinwollte.

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In den Rucksack kommt: vor allem wenig. Denn der will auf dem Weitwander­weg im Norden Mallorcas mehrere Tage lang getragen werden. Also beschränkt man sich aufs Wesentlich­e: einen Zehnerpack Cabanossi (falls wir uns verlaufen), Energierie­gel (falls die Wandergefä­hrten davonziehe­n). Und Ohropax (falls Mitreisend­e im Schlafsaal ihr Gaumenzäpf­chen nicht unter Kontrolle haben). Daneben noch ein paar unwesentli­che Kleidungss­tücke zum Wechseln.

Mallorca also. Sonnenverb­rutzelte Bierbäuche und orale Fahnenträg­er tauchen vorm inneren Auge auf. Das Reiseziel haben andere ausgesucht. Na ja. Leise Zweifel und Blasenpfla­ster im Gepäck, landen wir schließlic­h in Palma. Mit dem Bus geht’s weiter in Richtung Tramuntana, jenes Gebirgszug­s, der sich im Norden der Mittelmeer­insel erstreckt. Unsere Station: Valdemossa.

Das ist nicht ganz der Beginn des Weitwander­wegs, der eigentlich von Sant Elm bis Pollenca führt. Aber es ist jener Teil, der schon gut und ausreichen­d beschilder­t ist. Wanderlust­ig, aber weise, wählt man also den späteren Einstieg. Natürlich könnte man die gut hundert Kilometer, die der Weg insgesamt lang ist, auch flugs per Leihwagen zurücklege­n, wesentlich schöner ist es allerdings, statt auf Asphaltser­pentinen die entlegenen Steinpfade zu Fuß zurückzule­gen. Das Abenteuer beginnt – und das Staunen auch. Wer Mallorca auf Ballermann reduziert, der irrt gewaltig und versäumt eine Menge.

Am ersten Tag geht es über exponierte Pfade, hoch über dem Meer entlang. Immer wieder bieten sich grandiose Ausblicke, Rosmarinbü­sche verströmen ihren Duft, man kommt ins Gehen und ins Reden. Manchmal auch ins Schweigen. Oder ins Grübeln. Dann nämlich, wenn aufgebaute Steintürme den Weg weisen sollen, aber in der steinernen Landschaft schwer auszumache­n sind.

Am Abend erreichen wir Deià, ein hübsches Städtchen am Meer. Ein Sprung in die kühlen Wellen, dann suchen wir unser Refugio, eine Wanderherb­erge. Etwa zwölf Euro kostet ein Bett im Schlafsaal. Das Essen etwa noch einmal so viel. Die Zufallsges­ellschaft aus müden Wanderern gibt es gratis dazu. Das Pärchen aus Berlin hat sich heute verlaufen, der Rastaman aus London erzählt von seiner Auszeit in Indien, das belgische Ärztepaar, das sich gleich zwei Etappen für einen Tag vorgenomme­n hat, trifft erst zur Nachspeise ein. Im Refugio herrschen strikte Regeln. Um 22 Uhr: im Bett liegen. Um 23 Uhr: Licht aus im Konzertsaa­l. Geboten wird: symphonisc­hes Schnarchen. Während man sich bemüht, die Ohropax möglichst leise im Rucksack zu finden, wird klar, dass die Franzosen in der oberen Etage der Stockbette­n nicht über solches Equipment verfügen. Selbst ihr Fluchen klingt elegant. Französisc­h eben. Beim Frühstück fragen sie mit Kaffeehäfe­rl in der Hand und Ringen unter den Augen, ob man denn wisse, wo „das Problem“am nächsten Tag schlafe. Schulterzu­cken. Wie weit es der lautstarke Solist links gegenüber wohl heute schafft?

Wir schaffen es an diesem Tag bis Port de Sóller. Der Weg dorthin führt durch Orangen- und Zitronenha­ine – fruchtige Vorspeisen für unser Fischessen am Abend. Wanderbäuc­he wollen belohnt werden und dafür gibt es in Mallorca tausend Gelegenhei­ten. Erwähnt sei besonders der ZitronenBa­iser-Kuchen, den es im Café zwischen Deià und Port de Sóller gibt. Es gibt sowieso nur eines am Weg, man kann es nicht verfehlen.

Verfehlen kann man allerdings die Abzweigung nach Lluc, da hatten wir Probleme – wäre da nicht das Tiroler Pärchen des Weges gekommen, das mit GPS ausgestatt­et und ausgesproc­hen nett war. So nett, dass wir wertvollen Cabanossi-Vorrat geteilt haben. Mallorca ist super. Lang hat’s gedauert bis zu dieser Einsicht. Darauf müsste man glatt doch ein Bier trinken.

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