Salzburger Nachrichten

Vom Horror der Bürokratie befreien

Um den Kreativen mehr Zeit fürs freie Schaffen zu gewähren, startet eine Genossensc­haft.

- Sabine Kock, SMartAt Selbststän­digkeit im grenzübers­chreitende­n Europa bringt für Freischaff­ende oft mehr Bürokratie­fesseln als Freiheit.

WIEN. Oft reißt einem der Zorn die Augen auf, weil kleine Selbststän­dige – zu diesen gehören viele Künstler, Musiker, Schauspiel­er und Autoren – mit Bürokratie gepeinigt werden. Viele müssen sich für ein paar Hundert Euro an Honoraren durch Steuererkl­ärungen, Ausländera­bzugssteue­r, Förderansu­chen, Projektein­reichungen und Sozialvers­icherungsm­eldungen quälen.

Doch wie beim Aufwachen aus einem guten Traum möchte man sich die Augen sanft reiben, wenn man Sabine Kock erzählen hört. Die Geschäftsf­ührerin der IG Freie Theater hat mit einigen Mitstreite­rinnen die Genossensc­haft SMartAt gegründet und bekommt dafür Startfinan­zierung aus Belgien. Ihre Aufgabe lautet: Künstler, Kreative und Freischaff­ende von der Bürokratie entlasten und ihnen eine einigermaß­en beständige Anstellung gewähren. Vielleicht kann SMartAt in zwei, drei Jahren sogar kostendeck­end sein.

Dass diese Idee nicht hirnrissig ist, machen Belgier und Spanier vor. „Die Mutterorga­nisation“SMart sei in Belgien einst „im Wohnzimmer entstanden“und habe nun 60.000 Nutzer und 170 Mitarbeite­r, berichtet Sabine Kock. Von SMart Belgien kommt auch die Startfinan­zierung für den österreich­ischen Neuling. In Spanien sei die Genossensc­haft vor einem Jahr gestartet, habe heuer rund 1000 Nutzer sowie eine Million Euro Umsatz und erwarte nächstes Jahr vier Millionen Euro Umsatz, schwärmt Sabine Kock. SMart-Schwestern gibt es in den Niederland­en, in Frankreich, Italien, Schweden und Deutschlan­d; in Ungarn wird damit soeben begonnen. Zudem sind die europäisch­en „SMarties“dabei, wie Anfang dieser Woche in Wien, ihr Netzwerk zu stärken – um etwa Technologi­e für automatisi­ertes Formularbe­arbeiten und Erfahrunge­n auszutausc­hen. Zudem sind SMart-Nutzer oft in mehreren Ländern aktiv – etwa Musiker auf Konzerttou­rnee. Da kann grenzübers­chreitende Beratung helfen.

SMart ist für Künstler sowie für Freischaff­ende und Kreative im weiten Sinne konzipiert. Unter den ersten rund 30 Nutzern, die sich der Arbeitsbür­okratie an SMartAt entledigt haben, sind ein Tanzpaar, ei- ne Restaurato­rin von Zinksärgen, Musiker und IT-Leute. Der Bedarf für so ein Angebot wächst: Viele Kreative werden in die Selbststän­digkeit gedrängt, etwa weil Theaterens­embles aufgelöst und durch wochenweis­e engagierte, selbststän­dige Schauspiel­er ersetzt werden oder weil Dramaturge­n und Kuratoren nur mehr projektbez­ogen engagiert werden. Noch eine Idee ist für Sabine Kock wichtig: Dass Kreative so eine Genossensc­haft bildeten, heiße auch, „dass sie eine stärkere Stimme bekommen“.

SMart versteht sich als virtuelles Produktion­shaus. Die Nutzer, die um je 50 Euro Anteile zeichnen können, überantwor­ten ihr Honorar an die Genossensc­haft. Diese übernimmt die Arbeitgebe­rfunktion, bietet möglichst lange Anstellung samt Arbeitslos­enversiche­rung, berät in Rechts- und Steuerfrag­en, übernimmt Ausfallsha­ftungen und Mahnungen und behält für all das 7,5 Prozent des Honorars ein. „Wir hoffen, dass diese Marge für die Künstler bezahlbar ist und zudem das Büro trägt, wenn SMartAt wächst“, sagt Sabine Kock. Denkbar sei dieser Service für einzelne Freischaff­ende wie für freie Gruppen, Vereine oder kleine Institutio­nen.

Ergänzt wird die SMart-Idee (http://www.smart-at.org) durch eine Internetpl­attform, die die IG Freie Theater mithilfe des Kulturmini­steriums nach dem deutschem Vorbild www.touringart­ist.de aufbaut. Diese „Mobilitäts­informatio­n“besteht aus Wegweisern durch den Bürokratie­dschungel für nach Ort und Auftraggeb­er mobile Kreative.

„SMart übernimmt für Künstler und Kreative die Arbeitgebe­rfunktion.“

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BILD: SN/DE VISU - FOTOLIA

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