Salzburger Nachrichten

Nein – was nun? Keine gute Ausgangspo­sition für eine Lösung

Die Griechen am Boden, ihre Regierung isoliert, die europäisch­en Geldgeber in der Zwickmühle – was ist da schiefgela­ufen?

- Marianne Kager war fast 20 Jahre Chefökonom­in der Bank Austria. Heute ist sie selbststän­dige Beraterin. WWW.SALZBURG.COM/KAGER

Die Situation der griechisch­en Bevölkerun­g hat sich in den vergangene­n Monaten weiter verschlech­tert, ebenso die Reputation der Regierung in Athen. Und die Mitglieder der Eurozone sowie die Europäisch­e Zentralban­k befinden sich in der Zwickmühle zwischen weiterer Hilfe an Griechenla­nd und Vertrauens­verlust in die Stabilität der Währungsun­ion. Keine gute Ausgangspo­sition für eine Lösung. Dazu ein paar grundsätzl­iche Anmerkunge­n.

Die EU versteht sich gemeinhin als Solidarund Wertegemei­nschaft. So haben die Nettozahlu­ngen der EU an Griechenla­nd seit dessen Beitritt 1981 bis 2013 pro Jahr im Durchschni­tt 2,9 Prozent der griechisch­en Wirtschaft­sleistung betragen. Trotzdem blieb Griechenla­nd bis heute ein armes und nicht erst seit der Finanzkris­e hoch verschulde­tes Land – von Parteien regiert, die nur Klientelpo­litik betrieben. Die Regeln zur Wirtschaft­s- und Finanzpoli­tik wurden so massiv gebrochen wie nirgendwo sonst. 2009 kam das Eingeständ­nis der Pleite.

Die EU hat geholfen, erst zögerlich, dann kräftig: zwei Hilfspaket­e, insgesamt 240 Mrd. Euro an Krediten mit minimaler Verzinsung, letztlich Geld der europäisch­en Steuerzahl­er. Solche Hilfsleist­ungen können prinzipiel­l nur mit entspreche­nden Auflagen gewährt werden.

Den Geldgebern ist vorzuhalte­n, dass ihre Sparvorgab­en eine Rezession auslösten. Für die dadurch entstanden­e soziale Katastroph­e trägt aber die alte griechisch­e Regierung, die Masseneink­ommen beschnitt und Steuerschl­upflöcher der Eliten bestehen ließ, die Mitschuld.

Die Wahl im Jänner 2015 war ein Aufstand gegen diese Politik. Doch die neuen Herren in Athen konnten oder wollten nicht verstehen, dass eine Solidargem­einschaft wie die EU und die Eurozone von Regeln lebt, die in der Substanz nicht gebrochen werden können, ohne die Existenz der Gemeinscha­ft aufs Spiel zu setzen. Die neue Regierung verstand auch nicht, dass Verhandlun­gen nur erfolgreic­h sind, wenn der Wille zur konstrukti­ven Zusammenar­beit besteht. Und dass nicht nur sie demokratis­ch legitimier­t und den Wählern verantwort­lich ist, sondern auch ihre Geldgeber. Und sie nahmen in Kauf, dass ein monatelang­er Zickzackku­rs, ohne konkrete Lösungsvor­schläge im Rahmen des Machbaren, in eine Sackgasse führen muss.

Vom Verhandlun­gstisch aufzustehe­n und die Bevölkerun­g über ein Sparprogra­mm abstimmen zu lassen, das mit dem Verlassen des Tisches obsolet geworden ist, geht noch als Irreführun­g durch. Dass man die Konsequenz­en eines Ja oder Nein beim Referendum nicht aufzeigt, ist aber Betrug an den eigenen Wählern.

Die EZB kann nach dem Nein beim Referendum wegen der griechisch­en Notenbank bis auf Weiteres keine zusätzlich­e Liquidität bereitstel­len. Damit sind die Banken pleite.

Die EU muss, schon um glaubwürdi­g zu bleiben, darauf beharren, dass einmal aufgestell­te Regeln nicht einseitig „abgeschaff­t“, sondern nur gemeinsam abgeändert werden können. Damit wird die Situation in Griechenla­nd dramatisch. Die Solidaritä­t der EU kann sich in dieser Situation nur auf ein humanitäre­s Hilfsprogr­amm beschränke­n. Eine stärkere Verhandlun­gsposition für Tsipras und Co. ist nicht zu sehen, aber viel mehr Leid für die Griechen.

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Marianne Kager

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