Atomwaffenfreie Welt ist fern
Wenn der Iran jetzt vertraglich vereinbart, nicht nach Atomwaffen zu trachten, könnte dies einen Rüstungswettlauf in Nahost verhindern. Ein wichtiger Schritt.
Bei den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm ist eine Einigung in greifbare Nähe gerückt. Die Gespräche in Wien sind jetzt bis Freitag dieser Woche verlängert worden. Aber wie auch immer die Gespräche zwischen Teheran und der 5+1-Gruppe (die fünf UNO-Vetomächte USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien sowie Deutschland) ausgehen: Atomwaffen gibt es auf der Welt immer noch mehr als genug. Welche Staaten verfügen bereits über Atomwaffen? Offiziell sind im Atomwaffensperrvertrag von 1970 fünf Staaten als Atommächte genannt: die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich – also die fünf Vetomächte des UNO-Sicherheitsrats. Darüber hinaus haben Indien, Pakistan und Nordkorea Tests mit Atomwaffen durchgeführt. Israel besitzt wohl schon seit Jahrzehnten die Atombombe, ohne dies allerdings je offiziell zugegeben zu haben. Insgesamt also: neun Atommächte. Wie viele Atomwaffen gibt es auf der Welt? Genaue Zahlen hat niemand. Aber deutlich weniger als früher. Mitte der 1980er-Jahre gab es noch etwa 70.000 Atomwaffen, fast alle im Besitz der damaligen Supermächte USA und Sowjetunion. Heute – so das Friedensforschungsinstitut SIPRI in Stockholm in seinem neuen Jahrbuch – existieren schätzungsweise noch 15.850 Nuklearwaffen. Die meisten davon hat Russland (7500), gefolgt von den USA (7260). Erst mit weitem Abstand folgen China (260), Pakistan (100–120), Indien (90–110) und die anderen. Wie kommen die Bemühungen um atomare Abrüstung voran? Nach dem Ende des Kalten Krieges 1989/91 haben die USA und Russland ernsthaft damit begonnen, ihre Atomwaffen zu verschrotten. Doch seit einigen Jahren verringern sie die Arsenale nicht mehr merkbar. Stattdessen haben beide Staa- ten mit einer Modernisierung begonnen. Zudem werfen sie sich gegenseitig vor, bestehende Abkommen zu brechen. Das Ziel einer Welt ohne Atomwaffen („Global Zero“) – wie es US-Präsident Barack Obama postuliert hat – ist wieder weiter in die Ferne gerückt. Geht das Wettrüsten aufs Neue los? Der Ukraine-Konflikt hat jedenfalls neue Sorgen ausgelöst: Kiew hatte aus Sowjetzeiten Atomwaffen geerbt, diese dann aber freiwillig vernichtet. Manche Beobachter meinen, dass Russland darauf verzichtet hätte, sich die Krim wieder einzuverleiben, wenn die Ukraine noch Atommacht gewesen wäre. Nun kündigte Kremlchef Wladimir Putin noch an, bis zum Jahresende 40 neue Interkontinentalraketen anzuschaffen, die auch mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden können. Das muss nicht heißen, dass ein neues Wettrüsten beginnt. Aber die Ära der atomaren Abrüstung ist wohl vorbei. Kann der US-Kongress, sofern in den nächsten Tagen eine Vereinbarung mit dem Iran getroffen werden sollte, das Atomabkommen noch kippen? Der US-Kongress hat ein gesetzliches Mitspracherecht zu einem Atomabkommen mit dem Iran. Im Fall einer Einigung muss Präsident Obama den Text des Abkommens an den Kongress übermitteln. Kommt etwa eine Einigung bis Ende dieser Woche zustande, hat der Kongress 30 Tage Zeit, um es zu überprüfen. Während der Überprüfungsfrist darf Obama keine Sanktionen gegen den Iran aussetzen, aufheben oder verringern. Was passiert, wenn der USKongress tatsächlich gegen den Atomdeal mit Teheran stimmt? Spricht sich der Kongress mit einer entsprechenden Resolution gegen ein mit dem Iran erzieltes Abkommen aus, wird die internationale Vereinbarung mit Teheran zwar nicht ungültig. Faktisch sind die Verhandlungen dann aber dennoch geplatzt, da Obama die Strafmaßnahmen auch weiterhin nicht lockern und damit eine Kernzusage gegenüber den Iranern nicht einhalten könnte.
Obama könnte einen solchen Schritt des Kongresses innerhalb von zehn Tagen mit einem Veto zurückweisen. In diesem Fall wäre innerhalb weiterer zehn Tage eine Zweidrittelmehrheit in Abgeordnetenhaus und Senat nötig, um das Veto zu übergehen, was als kaum erreichbar gilt.
Wird das Atomabkommen angenommen, muss Obama dem Kongress alle 90 Tage bescheinigen, dass der Iran, fder als Sponsor der Terrorgruppen Hamas und Hisbollah gilt, keine Terrororganisation unterstützt. Sonst dürfte der Kongress schnell neue Sanktionen erlassen.