Wachstumsflaute auch hausgemacht
Wifo-Experte sieht neben Reformstau im Inland Sondereffekte im Ausland.
WIEN. Ist das Glas halb voll oder halb leer? – An diese unterschiedlichen Sichtweisen erinnert der Ökonom Marcus Scheiblecker vom Wirtschaftsforschungsinstitut im jüngsten Monatsbericht, in dem er den Ursachen für den vermeintlichen Rückfall Österreichs beim Wirtschaftswachstum gegenüber dem wichtigsten Handelspartner Deutschland und den übrigen Ländern der Eurozone nachgeht. Er kommt zum Schluss, dass Österreichs Wirtschaft international besser dasteht, als es zuletzt oft erklärt wurde. Das ändere aber nichts daran, dass „das niedrige Wachstum und die stagnierende Industrieproduktion auf Strukturschwächen hinweisen, die eine rasche wirtschaftspolitische Reaktion erfordern“, schreibt der Wifo-Experte.
Österreich büßte zwar seinen Wachstumsvorsprung gegenüber Deutschland und südeuropäischen Ländern wie Spanien ein, aber dafür sei vor allem die anspringende Binnenkonjunktur in diesen großen Ländern verantwortlich. Scheiblecker: „Bei der spanischen Industrieproduktion ist nichts von verstärk- tem Wachstum zu sehen.“Die Deutsche Bundesbank habe betont, dass sich die Industrie nur schleppend entwickle – wie auch im Inland. Auch bei den Lohnstückkosten sei Österreich durchaus wettbewerbsfähig. Österreich und Deutschland hätten nach der Krise die entstandene Produktionslücke bis 2011 geschlossen, andere Länder wie Spanien oder Irland holten jetzt auf. Von verstärktem Konsum der Deut- schen habe Österreich auch in der Vergangenheit kaum profitiert.
Differenziert beurteilt das Wifo die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Während die Arbeitslosigkeit in Deutschland auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren sank, erreichte sie in Österreich den höchsten Wert seit den 1950er-Jahren. Hier seien die treibenden Kräfte erwünschte Faktoren wie mehr ältere Arbeitnehmer (dank beginnender Pensionsreformen) und auch mehr Frauen im Arbeitsmarkt, dazu komme die Zuwanderung. Hier könne der deutsche Mindestlohn sogar eine dämpfende Wirkung für Österreich entfalten, erklärt der Wifo-Experte. Nach der Steuerreform müssten weitere ökologisch ausgerichtete Anpassungen erfolgen, das erleichtere auch das Erreichen der Klimaschutzziele. Außerdem wäre mit einer nationalen Strategie für Forschung und Entwicklung viel drin.