Risikomanager sind überflüssig
Wenn Mitarbeiter Fehler verschweigen (müssen), steigt das Risiko für Unternehmen. Im schlimmsten Fall stürzt ein Flugzeug ab.
SALZBURG. Der Kopilot merkt, dass das Kerosin nicht mehr bis zum Zielflughafen reicht. Der Kapitän reagiert nicht. Mehrfach fragt ihn der Kopilot, wie viel Kerosin noch zur Verfügung stehe. Er bekommt stets die Fakten vom Kapitän gemeldet, doch weiters passiert nichts. Der Kopilot wagt es nicht, den Kapitän darauf aufmerksam zu machen, dass man nicht genug im Tank hat. Das Frage- und Antwortspiel dauert so lang, bis das Flugzeug abstürzt. Dieser Vorfall konnte anhand der Auswertungen nach dem Unfall nachgezeichnet werden.
„In 80 Prozent der Flugzeugabstürze, die durch Piloten verursacht wurden, steuerten die Kapitäne das Flugzeug“, sagt Christoph Krischanitz, Chef des finanzmathematischen Beraters arithmetica. Dass ausgerechnet ein Mathematikexperte mit dem eindringlichen Flugzeugbeispiel erklären will, dass Risikomanagement in Unternehmen sehr viel mit der Mitarbeiterkultur und der Kommunikationskultur zu tun hat, mag verwundern.
Doch Krischanitz ist über- zeugt, dass man Risken im und für Unternehmen „viel stärker ganzheitlich betrachten muss“. Der Risikomanager, der in seinem Kammerl sitze, sei nicht das Gelbe vom Ei. Dem Risikomanagement müsse Leben eingehaucht werden. Wie, das erklärt der Finanzmathematiker so: Versicherungen im Unternehmen seien eine Dimension des Risikomanagements. Das werde meist gut abgedeckt. Beim Thema Sicherheit und Arbeitsschutz werde vieles durch Gesetze vorgegeben, hier spiele auch die IT-Sicherheit hinein. Beim klassischen Risikomanagement gehe es schließlich um Prozesse und die Organisation. „Doch gute Arbeit in all den drei Bereichen nützt gar nichts, wenn sich die Mitarbeiter nicht daran halten und das Management kein Risikobewusstsein hat. Nach dem Motto, das haben wir seit 25 Jahren so gemacht, das war immer gut.“
Warum eine gute Mitarbeiterkul- tur wichtig ist, um Risiken zu vermeiden, beschreibt Krischanitz am Thema Fehlerkultur. „Wenn Mitarbeiter Angst haben müssen, dass sie bei Fehlern rausgeworfen werden, werden sie versuchen, Fehler zu vertuschen. Dann kann das Unternehmen aber daraus nichts lernen und nichts verbessern.“Zur Mitarbeiterkultur gehöre es aber auch, zu hinterfragen, ob gesundes Essen in der Kantine einen höheren Nutzen habe als es koste, und was dies fürs Unternehmen bedeute.
Risikomanagement beschränkt sich laut Risikoexperten heute vor allem auf schlechte Risiken wie etwa ineffiziente Strukturen. Gute Risiken, wie der Eintritt in einen neuen profitablen Geschäftsbereich, würden kaum beachtet. Hier gehörten aber Szenarien mit dahinterliegenden objektiven Kriterien überlegt, sagt Krischanitz. Die größten Probleme bei mangelndem Risikobewusstsein sieht der Mathematiker bei der Mitarbeiterkultur und im Managementbereich. Erst wenn Chefs klar sei, dass man sich mit dem Thema in mehreren Abteilungen beschäftigen müsse, bringe Risikomanagement mehr Effizienz und Effektivität. „Und in letzter Konsequenz wird der Risikomanager überflüssig.“
„Es geht um die Mitarbeiter.“