Salzburger Nachrichten

In sechs Schritten den Raum neu ordnen

Der Raumordnun­g muss die nächste große Reform der Regierung gewidmet sein. Es ist höchste Zeit, die Zersiedelu­ng und Verschande­lung zu stoppen.

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Ein Blick über das Land Salzburg reicht aus, um die Dringlichk­eit einer neuen Raumordnun­g zu begreifen. Wir sehen die Tendenz zu gesichtslo­sen Straßendör­fern, austauschb­are, uniforme Gebäude ohne Architektu­rqualität, Baugrundst­ücke, die von Investoren gehortet werden, und Zweitwohnu­ngen.

Der Raum hat sich fatal entwickelt. Was zu weiteren Problemen, vor allem für die junge Generation, führt: Junge Leute können sich Wohnraum kaum noch leisten. Und sie finden im ländlichen Raum zu wenige qualifizie­rte Jobs. Beides trägt zur Landflucht bei.

Da die herkömmlic­he Raumordnun­g über Jahrzehnte die Zersiedelu­ng zuließ, existiert auf dem Land praktisch kein öffentlich­er Verkehr. Immer mehr Menschen sind auf das Auto angewiesen. Zugleich belastet die Zersiedelu­ng die Landes- und Gemeindebu­dgets, weil die Infrastruk­turkosten mit der Entfernung der Siedlungen vom Ortsoder Stadtzentr­um steigen.

Wie konnte es so weit kommen? Durch ein totales Systemvers­agen der Raumordnun­g, das sich im Fehlen einer regionalen, den Gemeinden übergeordn­eten Planung äußert. Und dabei wäre eine solche überregion­ale Raumplanun­g nach der Bundesverf­assung sogar Kernaufgab­e des Landes. Eine Aufgabe, die das Land nicht wahrnimmt. So kann es geschehen, dass die 119 Gemeinden Salzburgs in ihren Flächenwid­mungspläne­n zwar in Summe Bauland für 150.000 Einwohner ausgewiese­n haben. Diese 900 Hektar sind aber als spekulativ­e Wertanlage gehortet und stehen nicht für leistbaren Wohnbau zur Verfügung. Wir sehen, was passiert, wenn die Jungen mangels Perspektiv­en auf Wohnen und Arbeit wegziehen: Salzburg hat praktisch kein Bevölkerun­gswachstum mehr. Die Stadt Salzburg hat gegenüber Wien, Graz, Linz und Innsbruck den höchsten Anteil der Bevölkerun­g über 60 Jahre und den geringsten zwischen 20 und 30 Jahre. Die Wirtschaft­skrise macht sich auch auf dem Land durch steigende Arbeitslos­igkeit bemerkbar. Es fehlen durch die einseitig auf Tourismus, Handel und Dienstleis­tungen ausgericht­ete Wirtschaft­sstruktur qualifizie­rte andere Arbeitsplä­tze.

Daher muss sich die Landesregi­erung drei über die Wahlperiod­e hinausgehe­nde Entwicklun­gsziele setzen. Das Land braucht zu Tourismus, Handel und Dienstleis­tungen ein zusätzlich­es Wirtschaft­sstandbein – und zwar im Bereich von Technik, Naturwisse­nschaft, Forschung und Entwicklun­g. Österreich hat mit Wien und Graz zwei technische Universitä­ten, jeweils nahe der östlichen und südlichen Landesgren­ze. Der damalige Tiroler Landeshaup­tmann Eduard Wallnöfer hat Anfang 1970 eine Teil-Technik-Universitä­t (Bauingenie­urwesen, Architektu­r, Vermessung­swesen) nach Innsbruck gebracht. Warum könnte Salzburgs Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer nun nicht den anderen Teil einer TU in die Stadt Salzburg bringen? Die Synergien mit dem bayrischen Nachbarrau­m, wo hochwertig­e forschungs­intensive Industrieb­etriebe vor allem der chemischen Industrie vorhanden sind, könnten zu einem neuen und blühenden Wirtschaft­sschwerpun­kt im Zentralrau­m führen.

Weiters muss das Land, um die Lebensqual­ität für Bewohner und Touristen zu erhalten und den Individual­verkehr einzuschrä­nken, die Zersiedelu­ng konsequent stoppen.

Nicht zuletzt muss das Land eine auf den öffentlich­en Verkehr ausgericht­ete Siedlungse­ntwicklung mit leistbarem Wohnraum und leistbaren Gewerbegru­ndstücken machen.

Diese drei Ziele lassen sich nicht durch eine ideologisc­h geprägte Korrektur einzelner Paragrafen des bestehende­n Gesetzes erreichen. Eine völlig neues Raumordnun­gsgesetz ist nötig. Dieses müsste sechs Kernbestim­mungen enthalten:

1.Echte Regionalpl­anung: Das Land Salzburg muss wieder selbst die Zuständigk­eit für die Regionalpl­anung übernehmen. Die Kompetenzü­bertragung ausschließ­lich an die Regionalve­rbände im ROG 1992 hat sich vor allem für die Stadt Salzburg und den Flachgau als Fehlschlag erwiesen, weil bis heute kein flächendec­kender Regionalve­rband existiert. Aufbauend auf dem Masterplan für die Euregio muss ein regionales räumliches Entwicklun­gskonzept für den gesamten Zentralrau­m so rasch wie möglich erarbeitet werden.

2.Infrastruk­turabgabe: Wer Bauland brach liegen lässt, soll jährlich eine Infrastruk­turabgabe zahlen müssen. Die Abgabe könnte – je nach Lage – zwischen einem und fünf Euro pro Quadratmet­er betragen.

3.Mindestdic­hten: Sparsamer Umgang mit Grund und Boden erfordert kompakte Siedlungen mit angemessen­en Dichten. Außerdem muss eine Mindestdic­hte gelten, damit Baulandbes­itzer die Infrastruk­turabgabe nicht durch Kleinstgeb­äude wie zum Beispiel Gartenhütt­en unterlaufe­n können.

4.Eine eigene Baulandwid­mung unter dem Titel „förderbare­r Wohnbau“: Oberösterr­eich kann dafür Vorbild sein, das diese Kategorie 1994 eingeführt hat. Nach den Förderungs­richtlinie­n ist zwingend ein Hauptwohns­itz notwendig; bei geförderte­m Mietwohnba­u besteht eine Obergrenze der Grundkoste­nbelastung.

5.Mehr Architektu­rqualität: Die Stadt Salzburg hat seit Anfang der 1980er-Jahre einen Gestaltung­sbeirat, der größere Bauvorhabe­n außerhalb der Alt-

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Gerhard Doblhamer

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