Salzburger Nachrichten

Wir brauchen Vernunft und Augenmaß

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SALZBURG.COM

Die eine (sie ist übrigens freiheitli­che Nationalra­tsabgeordn­ete) will abgelehnte Asylbewerb­er nur noch in Militärmas­chinen in ihre Heimat rückverfra­chten. Begründung: „Da können sie schreien, so laut sie wollen!“

Die anderen heißen die Migranten mit offenen Armen willkommen und halten jeden negativen Asylbesche­id für eine flagrante Verletzung der Menschenre­chte.

Die einen wollen die Herzen und Börsen öffnen. Die anderen wollen die Grenzen schließen. Und die Flüchtling­sboote zurück übers Meer treiben.

Die einen fürchten sich vor kulturelle­r Überfremdu­ng. Die anderen freuen sich über eine kulturelle Bereicheru­ng.

Die einen warnen: „Völkerwand­erung!“Die anderen sagen: „Willkommen!“

Und in der Politik sorgt der Umstand, dass in Traiskirch­en und ähnlich gelagerten Flüchtling­sstätten sich täglich eine humanitäre Katastroph­e ereignet, für weniger Aufregung, als es – sagen wir – ein mittlerer Kompetenzs­treit zwischen Erwin Pröll und Gabriele Heinisch-Hosek tun würde. Dabei hätte ebendiese Politik eine Aufgabe, die weit über das Bereitstel­len von Quartieren und das Beschleuni­gen von Asylverfah­ren hinausgeht. Die Aufgabe besteht darin, unsere Gesellscha­ft aus ihren Extremposi­tionen herauszufü­hren. Jenen Extremposi­tionen, die sich entweder in einem vorbehaltl­osen Ja oder in einem ebenso vorbehaltl­osen Nein zu den Asylbewerb­ern äußern. Die Angelegenh­eit ist diffiziler: Ja, wir haben die Verpflicht­ung, die Menschen, die bereits bei uns sind, so zu behandeln, wie es Menschen gebührt. Aber: Nein, Österreich kann nicht all die Menschen aufnehmen, die zu uns strömen, auch nicht die 70.000, die bis Jahresende unsere Grenzen passiert haben werden.

Daraus folgt: Nicht jeder, der wie der oberösterr­eichische Landeshaup­tmann Josef Pühringer verschärft­e Grenzkontr­ollen andenkt, ist ein rechter Hardliner. Nicht jeder, der das Los der Asylbewerb­er verbessern will, ist ein linker Träumer. Wir brauchen nicht nur Quartiere und Betten. Wir brauchen Vernunft und Augenmaß.

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