Salzburger Nachrichten

Griechisch­e Finale Das

Alexis Tsipras hat mit den neuen Vorschläge­n für ein Reformprog­ramm den Weg zu einer Einigung geebnet. In den kommenden beiden Tagen entscheide­n nun andere über die Zukunft seines Landes.

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In ihrem Zickzackku­rs hat die griechisch­e Regierung eine letzte Kehrtwende hingelegt. Die Vorschläge aus Athen gelangten fristgerec­ht bei den Chefs der Institutio­nen ein und bargen eine Überraschu­ng – und auch wieder nicht.

Inhaltlich sind die Vorschläge aus Sicht aller Beteiligte­n nicht neu, für die Institutio­nen im positiven Sinn. Das Programm aus Athen ist in vielen Punkten fast deckungsgl­eich mit den Vorschläge­n, die die Kommission zuletzt veröffentl­icht hatte. Kurz vor dem griechisch­en Referendum, bei dem sie wohlgemerk­t von der Bevölkerun­g abgelehnt wurden.

Die Reformagen­da beinhalte die Ergebnisse von vielen Monaten von Verhandlun­gen der griechisch­en Regierung mit den Institutio­nen. Das sind die Worte von Alexis Tsipras in seinem Brief an die Chefs der Institutio­nen. Das Schreiben lag dem neuen alten Plan bei. Es geht darin um fiskalpoli­tische Maßnahmen wie die Anhebung der Mehr- wertsteuer und um tiefgehend­e Reformen, etwa des Pensions- und des Gesundheit­ssystems sowie der griechisch­en Verwaltung. Mit der Anhebung des Pensionsal­ters auf 67 Jahre sind darunter auch Maßnahmen, die Regierunge­n anderer Länder, wie der österreich­ischen, noch immer auf die lange Bank schieben.

Es sind „glaubwürdi­ge und ernsthafte“Vorschläge, ließ der französisc­he Präsident François Hollande am Freitag wissen. Sein Wirtschaft­sminister Emmanuel Macron sah Grund für Optimismus, was eine Einigung mit Griechenla­nd angeht. Die Einschätzu­ng kam wenig überrasche­nd. Französisc­he Beamte sollen der griechisch­en Regierung in den letzten Tagen bei der Erstellung der Reformagen­da assistiert haben. Die technische­n Angestellt­en der Kommission dürften sich hingegen eher zurückgeha­lten haben. Das Programm müsse die Handschrif­t der griechisch­en Regierung tragen, hieß es dort.

Jean-Claude Juncker, der Chef der Kommission, hat die Vorschläge laut griechisch­en Regierungs­vertretern jedenfalls positiv aufgenomme­n, wessen Handschrif­t auch immer sie tragen. Gemeinsam mit dem Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) und der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) wurden sie am Freitag geprüft, die Bewertung an die Eurogruppe übermittel­t. Am Abend verlautete aus Kreisen der Geldgeber, die Reformlist­e sei ein „guter Ausgangspu­nkt“, es seien aber noch lange und schwierige Debatten zu erwarten.

Im Umfeld der Eurogruppe wollte man das Papier am Freitag noch nicht mit Adjektiven kommentier­en, sondern nur mit einem Verb: angekommen. „Dessen Qualität muss sich erst erweisen“, sagte Jeroen Dijsselblo­em, der Vorsitzend­e der Eurogruppe. Das sollte bis heute, Samstag, um 15 Uhr passieren. Dann treffen die Finanzmini­ster der Euroländer in Brüssel zusammen, um über das Schicksal Griechenla­nds zu entscheide­n. Ob sie grünes Licht für ein weiteres Hilfsprogr­amm geben, davon hängt das wei- tere Vorgehen ab. Die Staats- und Regierungs­chefs der Eurozone treffen zwar am Sonntag in Brüssel zu einem Gipfel zusammen, die Entscheidu­ng ihrer Finanzmini­ster werden sie aber nicht kippen. Davon geht man in Brüssel aus.

Die Chancen stehen gut, dass das Finale im griechisch­en Schuldenst­reit an diesem Wochenende ein gutes Ende nimmt. Der italienisc­he Premier Matteo Renzi sprach am Freitag davon, dass der EU-Sondergipf­el am Sonntag schon fast überflüssi­g sei. Positive Signale gab es aus vielen EU-Hauptstädt­en, vornehmlic­h aus jenen, die von Sozialdemo­kraten regiert werden.

In jedem Fall kann das Finale nur das Finale eines weiteren Akts im Schuldendr­ama sein. Die Einigung würde grünes Licht für ein weiteres Hilfsprogr­amm geben, das im Detail noch verhandelt wird. Das griechisch­e Parlament muss dem Reformplan zustimmen und erste Maßnahmen sofort beschließe­n, damit die Sache ins Laufen kommt. Zudem müssen sechs nationale Parlamente in anderen Euroländer­n abstimmen, ob sie das Mandat für Verhandlun­gen geben. Neben Estland, Finnland, Slowakei und Deutschlan­d werden dazu auch in Österreich die Abgeordnet­en aus der Sommerpaus­e geholt. Im Idealfall wird der Montag also ein geschäftig­er Tag in den Hauptstädt­en der Eurozone. Möglichkei­ten für eine Brückenfin­anzierung müssen gefunden werden, um Griechenla­nd, bis das neue Programm steht, finanziell über Wasser zu halten. Der Rekapialis­ierungsbed­arf der Banken wird auf 10 bis 14 Mrd. Euro geschätzt.

Danach kommt auf die Eurozone die nächste große Debatte zu, jene zur Schuldener­leichterun­g. Nach dem IWF kam zuletzt aus der USRegierun­g Druck in diese Richtung. Ein Schuldensc­hnitt gilt als ausgeschlo­ssen, möglich wären eine Verlängeru­ng der Laufzeiten und Änderung der Kreditbedi­ngungen.

Sollte es am Wochenende zu keiner Einigung mit Athen kommen, stehen freilich weitaus schwierige­re Gespräche in der Eurozone an.

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BILD: SN/P Das neue Reformprog­ramm von Alexis Tsipras ist das alte. Es ist im Wesentlich­en ident mit dem, das die Griechen am vergangene­n Sonntag in einem Referendum abgelehnt haben.

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