Salzburger Nachrichten

USA wirken im Hintergrun­d

Das Weiße Haus will kein Einfallsto­r für Russland öffnen. Präsident Barack Obama telefonier­te mit Angela Merkel und Alexis Tsipras.

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WASHINGTON. Wirtschaft­lich bereitet ein Grexit den Amerikaner­n keine schlaflose­n Nächte. US-Banken halten mit knapp dreizehn Milliarden Dollar nur einen kleinen Teil der griechisch­en Schulden. Politisch dagegen wäre ein Hinausdrän­gen Griechenla­nds aus der Eurozone ein Albtraum. Aus Sicht der Sicherheit­spolitiker im Weißen Haus triebe ein Grexit das strategisc­h so wichtige NATO-Mitglied geradewegs in die Arme Wladimir Putins, der am allermeist­en von der Unruhe im Südosten Europas profitiere­n würde.

Gerade erst warnte der designiert­e Armeechef Joseph Dun- ford vor dem „alarmieren­den Verhalten“Moskaus, von dem „eine existenzie­lle Bedrohung“ausgehen könnte. Eine Annäherung Griechenla­nds an Russland, so das Denken in Washington, wäre für den Westen ein geopolitis­ches Desaster.

Trotz öffentlich­er Zurückhalt­ung machte Präsident Obama hinter den Kulissen Druck, dass es dazu nicht kommt. Er redete Kanzlerin Angela Merkel bei einem Telefonat ebenso ins Gewissen wie dem griechisch­en Regierungs­chef Alexis Tsipras. Seine Botschaft: Ein Ausscheren aus dem Euro könne in niemandes Interesse liegen. Am allerwenig­sten im Interesse der Deutschen, für die Russland nach Ansicht von US-Analysten ein viel größeres Problem darstellt als ein Schuldenna­chlass für Athen. Der Yale-Politologe und Deutschlan­dKenner Bruce Ackerman nennt das Management der Kanzlerin kurzsichti­g. „Sie hat die Krise verengt als wirtschaft­liches Problem betrachtet, statt Griechenla­nds Rolle in der Verteidigu­ng Osteuropa gegenüber einem aufstreben­den Russland zu sehen“. Jenseits der bemängelte­n politische­n Vision Berlins verfolgen viele US-Ökonomen die Entwicklun­g mit Kopfschütt­eln. Der Reigen der Kritiker reicht von Paul Krugman über Jeffrey Sachs bis hin zu Carmen Reinhart. Das Credo: Ohne einen Schuldensc­hnitt werden die Kosten immer höher. 2009 stand das Verschuldu­ngsniveau Athens bei 130 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s. Nach fünf Jahren Zwangsspar­en liegt es bei 177 Prozent. Wobei nur sechs Prozent des Zuwachses auf Neuschulde­n und der Rest auf den Einbruch der Konjunktur zurückzufü­hren sind. Nobelpreis­träger Joseph Stiglitz kann es sich nicht verkneifen, darauf hinzuweise­n, dass Deutschlan­d nach dem Zweiten Weltkrieg selbst von der Großzügigk­eit seiner ehemaligen Gläubiger profitiert­e. Die erließen der Bundesrepu­blik 1953 bei der Londoner Schuldenko­nferenz mehr als die Hälfte ihrer Verbindlic­hkeiten und machten so erst das „Wirtschaft­swunder“möglich.

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