Venedig legt in Mörbisch an
Der Neusiedler See taugt jetzt als Adria. Denn an seinem Ufer spielt bis Ende August „Eine Nacht in Venedig“.
MÖRBISCH. Die Bühne auf dem Neusiedler See bei Mörbisch wird heuer zu einem venezianischen Platz. Welch anregende, erholsame Erinnerungen könnte dieses Ambiente wecken! Noch dazu: Es ist Karneval, ein Maskenball ist angesetzt. Diese eine Nacht, in der die Operette spielt, nutzen mehrere Verliebte dazu, mithilfe der Maskierung eine Liebschaft anzubahnen oder abzuwimmeln oder wenigstens zu einem Seitensprung anzusetzen.
Schon im Original ist die Operette „Eine Nacht in Venedig“, komponiert von Johann Strauß auf ein Libretto von Camillo Walzel und Richard Genée, mit den vielen Liebeslügen und Verkleidungen erstens etwas unübersichtlich. Und zweitens wird darin das Thema Liebe recht simpel aufbereitet. Die Mörbischer Version, die am Donnerstag Premiere hatte und – wie es im Programmheft heißt – in ein Venedig als „eine moderne Stadt“führen soll, vermag das Original in beiden Eigenschaften zu toppen: Geboten wird ein Sammelsurium an Überfülle aus Kostümen und Bühnentechnik; die zu einer modernisierten Handlung von Joesi Prokopetz und Regisseur Karl Absenger erfundenen Dialoge sind seicht bis ordinär, meist witzlos und dann sogar platt, wenn in Verse getrimmt. Da beklagen etwa einmal die Damen: „Wir boten unsere Reize feil, doch unsere Reize war’n nicht geil.“
Anders gesagt: Mörbisch bietet heuer viel Klimbim und Klamauk.
Im Original dieser Operette gibt Herzog Guido von Urbino einen Maskenball; in der neuen Mörbischer Version legt das Kreuzfahrtschiff „Herzog von Urbino“für eine Nacht in Venedig an und der Kapitän lädt zum Ball. Dafür wird die neue Mörbischer Drehbühne mobilisiert: Ein venezianisches Fantasiegebäude verschwindet und ein riesiger weißer Bug samt Kommandobrücke ragt über den Platz. Wer ab und zu durchs echte Venedig flaniert, erkennt diese Art Modernisierung als erschreckende Steigerung dieser aus Sicht der Venezianer unbeliebten Kreuzfahrtungetüme.
Bleiben wir bei den Annehmlichkeiten dieser Neuinszenierung: Sie ist farbenfroh. Es wird viel und schwungvoll getanzt. Da wirbeln etwa viele fesche Matrosen viele rot beschuhte Mädchen in hübschen Sommerkleidern und aparten Strohhüten herum. Und die walzerselige Musik von Johann Strauß ist sowieso eine Hörfreude.
Das oft grelle, pfeffrige und banale Spiel konterkarieren zwei Sänger, die in Gesang wie Geste etwas zart Elegantes zur Geltung bringen, was man als „Wienerisch“an so einer Operette mögen könnte. Der eine ist Herbert Lippert als Kapitän der „Herzog von Urbino“. Weich und kräftig entlässt er seine Tenorstimme in die Sommernacht und gibt seinem Gesang jene Feinheit, die den neuen Zwischentexten abgeht.
Der andere ist Heinz Zednik als eitler Senator Delaqua. Er ironisiert den Gehörnten mit einer gutmütigen Dümmlichkeit; seine Frau Barbara spricht er italowienerisch als „Barbaruccerl“an; und ab und zu wirft er kokett die Frage ein: „Bin ich ein Schelm?“
Witzig ist auch das Solo der Intendantin der Seefestspiele Mörbisch, Dagmar Schellenberger. Sie spielt Delaquas Ehefrau Barbara, die liebeshungrig ihr Pantscherl mit ihres Ehemanns Neffen auskostet. Be- glückt und beduselt singt sie ihr Lied, kudert und kichert, gickst und gurrt dabei gekonnt zu Strophe, Rhythmus und Melodie – „Soll das ein Schwipserl sein?“
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